ISOcoated Profil und Graubalance
by Bestmann, Guenter RD-PN32
Liebe Fan's der Graubalance,
vor gar nicht so langer Zeit (es ist etwa 10-15 Jahre her) war die Graubalance in der Tat ein bestimmendes Element der Farbreproduktion. Aus dieser Zeit stammen auch die Aussagen, das eine Graubalance bestimmte Werte anzunehmen habe. Die ISO-Norm 12647-2:1996 gibt sogar Sollwerte vor ("Unless otherwise specified, grey balance should be given ... 25-19-19, 50-40-40, 75-64-64"). Die damaligen Trommelscanner (Hell, Crosfield, Dainippon) hatten dies in ihren Separationstabellen verinnerlicht, die analogen Proofsysteme (Chromalin) hatten sich darauf eingestellt und die Drucker regelten ihre Farbwerke so ein, das die Graubalance irgendwie erreicht wurde. Es war eine schöne geschlossene Welt, die - wenn gut abgestimmt - auch prima funktionierte.
Wie wir alle wissen, ist die Welt heute sehr viel offener, die alten Trommelscanner sind ausgestorben (na ja nicht ganz), analoge Proofverfahren sind auf dem Rückzug und digitale Technologien bestimmen den Alltag. Heutige Scansysteme und digitale Kameras genauso wie grafische Programme erzeugen ihre Daten medieneutral (eciRGB, AdobeRGB, sRGB, ...). Digitale Proofsysteme können die verschiedensten Ausgabeprozesse (Bogen, Rolle, Zeitung, Gravur, ...) auf verschiedensten Papieren und mit unterschiedlichsten Farben simulieren. Auch im Druck hat sich durch Farbvoreinstellung, Farbregelung und Messtechnik so einiges geändert. Die Graubalance als Hilfskonstrukt hat dabei ihre prominente Bedeutung verloren. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der neuen ISO-Norm 12647-2:2004 wieder, in der die Graubalance ersatzlos gestrichen wurde. Alleinige Referenzen für den Prozess sind nun das Papier, die Färbung und die Tonwertzunahme. Die Graubalance ist eine abhängige Größe, die prozessbedingt ist.
Im Rahmen der Erzeugung der Charakterisierungsdaten und der Profile für Bogen- und Rollenoffset, für Gravur und Zeitung habe ich einen detaillierten Einblick in das Verhalten der Graubalance gewonnen. Kleine Veränderungen der Färbung im Rahmen der Toleranzen der ISO-Normen führten sofort zu größeren Veränderungen in der Graubalance. Veränderungen der Tonwertzunahme im Rahmen der Toleranzen der ISO-Norm führten ebenso zu erheblichen Veränderungen. Nicht untersucht haben wir dabei die Farbreihenfolge. Aus anderen Untersuchungen ist aber bekannt, das auch hier eine erhebliche Abhängigkeit vorliegt.
Zur Information habe ich mal aus dem ISOcoated- Profil die aktuelle Graubalance dieses Prozesses mit diesem Papier und diesen Farben herausgeholt (Rendering Intent Perceptual, also der Separationstabelle, Druckreihenfolge KCMY, Werte gerundet):
CMY, K=0
25-19-18, 50-42-38, 75-70-62
CMYK
25-19-18-4, 50-42-39-25, 75-70-63-74
Während man bei relativ wenig übereinandergedruckten Farben noch von der klassischen Graubalance sprechen kann, werden die Abweichungen bei höheren Flächendeckungen immer größer. Dies hängt wie in einem anderen Beitrag in dieser Liste beschrieben, mit dem Farbannahmeverhalten im Naß-über-Naß-Druck zusammen. Wenn Naß-auf-Trocken gedruckt wird, würden sich ganz andere Verhältnisse ergeben, die wieder mehr in Richtung der klassischen Graubalance tendieren. Aber so wird heute nicht gedruckt, im Gegenteil, durch die hohen Druckgeschwindigkeiten wird es heute immer "nasser". Alle aktuellen Charakterisierungsdaten (und Profile) wurden im Naß-über-Naß-Druck erzeugt.
Die praktischen Druckergebnisse zeigen, das die klassische Graubalance ausgedient hat. Wenn man noch mit der Graubalance arbeiten möchte, dann muss man sie sich prozessspezifisch beschaffen, wie ich es oben angedeutet habe. Dann muss man sich seinen eigenen Medienkeil zusammenbauen und kann dann damit arbeiten.
Es ist deshalb müßig, über die Färbungen der Buntgraufelder des Fogra-Medienkeils zu diskutieren.
Viele Grüße
Günter Bestmann
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Dr. Günter Bestmann
Heidelberger Druckmaschinen AG
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