Liebe Fan's der Graubalance,
vor gar nicht so langer Zeit (es ist etwa 10-15 Jahre her) war die Graubalance in der Tat
ein bestimmendes Element der Farbreproduktion. Aus dieser Zeit stammen auch die Aussagen,
das eine Graubalance bestimmte Werte anzunehmen habe. Die ISO-Norm 12647-2:1996 gibt sogar
Sollwerte vor ("Unless otherwise specified, grey balance should be given ...
25-19-19, 50-40-40, 75-64-64"). Die damaligen Trommelscanner (Hell, Crosfield,
Dainippon) hatten dies in ihren Separationstabellen verinnerlicht, die analogen
Proofsysteme (Chromalin) hatten sich darauf eingestellt und die Drucker regelten ihre
Farbwerke so ein, das die Graubalance irgendwie erreicht wurde. Es war eine schöne
geschlossene Welt, die - wenn gut abgestimmt - auch prima funktionierte.
Wie wir alle wissen, ist die Welt heute sehr viel offener, die alten Trommelscanner sind
ausgestorben (na ja nicht ganz), analoge Proofverfahren sind auf dem Rückzug und digitale
Technologien bestimmen den Alltag. Heutige Scansysteme und digitale Kameras genauso wie
grafische Programme erzeugen ihre Daten medieneutral (eciRGB, AdobeRGB, sRGB, ...).
Digitale Proofsysteme können die verschiedensten Ausgabeprozesse (Bogen, Rolle, Zeitung,
Gravur, ...) auf verschiedensten Papieren und mit unterschiedlichsten Farben simulieren.
Auch im Druck hat sich durch Farbvoreinstellung, Farbregelung und Messtechnik so einiges
geändert. Die Graubalance als Hilfskonstrukt hat dabei ihre prominente Bedeutung verloren.
Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der neuen ISO-Norm 12647-2:2004 wieder, in der die
Graubalance ersatzlos gestrichen wurde. Alleinige Referenzen für den Prozess sind nun das
Papier, die Färbung und die Tonwertzunahme. Die Graubalance ist eine abhängige Größe, die
prozessbedingt ist.
Im Rahmen der Erzeugung der Charakterisierungsdaten und der Profile für Bogen- und
Rollenoffset, für Gravur und Zeitung habe ich einen detaillierten Einblick in das
Verhalten der Graubalance gewonnen. Kleine Veränderungen der Färbung im Rahmen der
Toleranzen der ISO-Normen führten sofort zu größeren Veränderungen in der Graubalance.
Veränderungen der Tonwertzunahme im Rahmen der Toleranzen der ISO-Norm führten ebenso zu
erheblichen Veränderungen. Nicht untersucht haben wir dabei die Farbreihenfolge. Aus
anderen Untersuchungen ist aber bekannt, das auch hier eine erhebliche Abhängigkeit
vorliegt.
Zur Information habe ich mal aus dem ISOcoated- Profil die aktuelle Graubalance dieses
Prozesses mit diesem Papier und diesen Farben herausgeholt (Rendering Intent Perceptual,
also der Separationstabelle, Druckreihenfolge KCMY, Werte gerundet):
CMY, K=0
25-19-18, 50-42-38, 75-70-62
CMYK
25-19-18-4, 50-42-39-25, 75-70-63-74
Während man bei relativ wenig übereinandergedruckten Farben noch von der klassischen
Graubalance sprechen kann, werden die Abweichungen bei höheren Flächendeckungen immer
größer. Dies hängt wie in einem anderen Beitrag in dieser Liste beschrieben, mit dem
Farbannahmeverhalten im Naß-über-Naß-Druck zusammen. Wenn Naß-auf-Trocken gedruckt wird,
würden sich ganz andere Verhältnisse ergeben, die wieder mehr in Richtung der klassischen
Graubalance tendieren. Aber so wird heute nicht gedruckt, im Gegenteil, durch die hohen
Druckgeschwindigkeiten wird es heute immer "nasser". Alle aktuellen
Charakterisierungsdaten (und Profile) wurden im Naß-über-Naß-Druck erzeugt.
Die praktischen Druckergebnisse zeigen, das die klassische Graubalance ausgedient hat.
Wenn man noch mit der Graubalance arbeiten möchte, dann muss man sie sich
prozessspezifisch beschaffen, wie ich es oben angedeutet habe. Dann muss man sich seinen
eigenen Medienkeil zusammenbauen und kann dann damit arbeiten.
Es ist deshalb müßig, über die Färbungen der Buntgraufelder des Fogra-Medienkeils zu
diskutieren.
Viele Grüße
Günter Bestmann
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Dr. Günter Bestmann
Heidelberger Druckmaschinen AG
Sheetfed R&D Prinect
Dr.-Hell-Straße
24107 Kiel
Tel.: +49 (0) 431/3863887
Mail: Guenter.Bestmann(a)Heidelberg.com <mailto:Guenter.Bestmann@Heidelberg.com>
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