Re: [ECI] Gretag ColorChecker DC vs. SG, Kameratargets
by Markus Hitzler, Color Solutions
Hallo Herr Fiedler,
Handhabung und Ergebnisse mit dem SG-Target sind besser als mit dem alten
DC-Target und entsprechen nun endlich auch dem Niveau anderer Lösungen.
Eine semimatte Oberfläche ist für die Profilierung von Kameras in der Tat
meist deutlich besser geeignet als hochglänzendes oder vollmattes Material -
oder gar die Kombination von beidem (wie beim alten ColorChecker DC).
Aus diesem Grund verwenden andere Kameratargets schon seit langem diese
Oberfläche.
Beispiele:
- die große IT8-Tafel von AGFA (Format ca. 20x30cm, aufgezogen auf
Pappplatte), produziert seit den 90er Jahren, Produktion vor ca. 2 Jahren im
Rahmen von Umstrukturierungen bei Agfa eingestellt - leider.
- das basICColor dcam-Target (ähnliche Größe, aufgezogen auf
Kunststoffplatte). Dieses Target verwendet in der Standardausführung
ebenfalls die semimatte Oberfläche (für Sonderanwendungen ist jedoch
zusätzlich eine hochglänzende Version verfügbar). Die semimatte Version
gibt's wahlweise mit und ohne Lichtfalle (absolutes Schwarz für exakte
Beschreibung des Kamerarauschens)
Im Detail:
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Zur Verfügung stehen für ein Kameratarget grundsätzlich 3 Oberflächen:
A) Vollmatt:
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Vorteil ist die extrem einfache Ausleuchtung. Auf Reflexe muss man (fast)
nicht achten.
Nachteil ist aber, dass durch die matte Oberfläche (matt = keine gerichteter
Oberflächerreflex, sondern diffuse Streuung) alle Farben verweißlicht
werden. Dies bedeutet eine Entsättigung der bunten Töne und eine Aufhellung
der Tiefen. Wirklich gute Profile lassen sich mit einem solchen Target nicht
machen.
B) Hochglanz:
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Vorteil dieser Oberfläche ist die wesentlich höhere Farbsättigung und
Maximaldichte, die sich bei identischen Farbstoffen im Vergleich zur matten
Oberfläche mit diesem Material erzeugen läßt. Damit eignet sich
Hochglanz-Material eigentlich am besten zur Profilierung von Eingabegeräten.
Nachteil ist aber, dass man die Ausleuchtung sehr genau kontrollieren muss.
In Scannern ist dies automatisch richtig. Für die Profilierung von
Digitalkameras sind hochglänzende Materialien aber nur in Ausnahmefällen
geeignet (wenn die Oberflächenreflexe wirklich 100%-ig kontrolliert und
ausgeblendet werden können).
C) Semimatt:
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Dieses Material ist für die Digitalkameraprofilierung der beste Kompromiss.
Es bietet zwar nicht ganz den Farbumfang hochglänzenden Materials, aber
immer noch deutlich mehr Information als vollmatte Targets. Die reflexfreie
Ausleuchtung kann nicht ganz so sorglos wie beim vollmatten Target gemacht
werden, ist jedoch beim heute für die Profilierung verwendeten Repro-Aufbau
(Ausleuchtung durch zwei Lampen mit Standardreflektoren unter +/- 45°) recht
einfach zu bewerkstelligen. Auf jeden Fall muss das Target auch mit dieser
Oberfläche auf einem stabilen, absolut ebenen Material aufgezogen sein,
damit Reflexe einfach und sicher zu kontrollieren sind.
ColorChecker DC versus ColorChecker SG
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Der alte ColorChecker verwendet wie der Ur-ColorChecker (der zur
Qualitätskontrolle und zur Aufnahme im Aufbau konzipiert wurde) im
Wesentlichen vollmatte Felder. Da der damit erreichbare Farb- und
Dichteumfang aber für eine brauchbare Profilierung zu gering ist, wurden
hochglänzende Felder integriert. Da die Felder des ColorChecker DC aber auf
eine äußerst "labberige" Pappe geklebt sind, waren diese hochglänzenden
Felder niemals zueinander plan und demzufolge das Reflexverhalten unter
praktischen Bedingungen nicht kontrollierbar. Der ColorChecker DC verband
also nicht die Vorteile der beiden Oberflächen, sondern die Nachteile.
Deshalb haben die meisten Profilierungsprogramme diese Felder schlicht und
einfach ignoriert.
Ursprüngliche Idee dabei war, dass das Target im Bild-Aufbau mitfotografiert
werden sollte und der Fotograf immer aufnahmeabhängig profilieren sollte -
eine "Stilblüte" der Colormanagement-Entwicklung. So funktioniert die
Kameraprofilierung in der Praxis eben nicht. Die Ergebnisse mit ColorChecker
DC und PM4 waren in der Praxis leider nicht zu gebrauchen. Gretag empfiehlt
nun - wie andere Hersteller von Farbmanagementsoftware schon seit längerem -
die Profilierung von Kameras in einem Repro-Aufbau und die "Kalibrierung"
bei der Aufnahme durch eine Graukarte. Der Wechsel zur semimatten Oberfläche
ist die logische Konsequenz. Gretag hat so als letzter Hersteller ebenfalls
die Vorteile eines semimatten Targets für die Profilierung erkannt.
Allgemeine Empfehlung zum Kameratarget
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Für die Eignung als Kameratarget müssen im Wesentlichen 4 Punkte erfüllt
sein:
1. Gute praktische Handhabbarkeit:
einfache Ausleuchtung und gute Reflexkontrolle
2. möglichst großer Farbraum und gleichmäßige Stützstellenverteilung
3. möglichst große Dynamik
4. gutmütiges Metamerieverhalten
1) und 2) lassen sich recht gut mit der semimatten Oberfläche erreichen.
Für Digitalkameras sollten Sie also i.d.R ein solches Target verwenden. Bei
Systemen wie Cruse-Kamerascannern aber würde ich hochglänzendes Material
einsetzen (z.B. HCT-Targets). Auch bei manchen Aufnahmestationen mit fester
Ausleuchtung können die Reflexe so gut kontrolliert werden, dass ein
Hochglanz-Target bessere Profile liefert (haben wir bei einigen wenigen
Kunden im Einsatz). Hier ist die plane Konfektionierung und eine
entsprechende Lagerung besonders wichtig.
3) Die semimatte Oberfläche schränkt aber - im Vergleich zum bei Scannern
verwendeten Hochglanztarget - leider die Dynamik des Targets im Schwarzpunkt
stark ein. Dies ist besonders ärgerlich, da fast jede fotografische Aufnahme
absolutes Schwarz (unbeleuchtete Stelle) enthält und das Signal der Kamera
deshalb immer bis an die Rauschgrenze benutzt wird. Beim Scan eines Dias
oder Papierabzugs ist dies anders! Dort ist die dunkelste Stelle der
Bildvorlage i.d.R. nicht dunkler als die dunkelste Stelle des Targets.
Hochwertige Scanner haben zudem einen Dynamikumfang, der den der
durchschnittliche Vorlage etwas übersteigt. Das "effektive Geräterauschen"
kann deshalb hier durch die Profilierung sehr gut beschrieben werden.
Bei der Profilierung von Digitalkameras liegt der dunkelste Punkt eines
Targets im Bereich von ca. L*=15 (typisch für Schwarz mit semimatter
Oberfläche). Eine unbeleuchtete Stelle repräsentiert aber L*=0! Irgendwo
dazwischen liegt das Rauschen der Kamera. Da das Rauschen der Kamera i.d.R
unter der dunkelsten Stelle des Targets liegt, kann dies durch die Aufnahme
eines solchen Targets nicht beschrieben werden. Das Programm muss raten.
Ergebnis: Funktioniert die Rauschunterdrückung der Kamera, funktioniert die
Profilierung. Falls nicht: dumm gelaufen und verloren.
Dieses Problem kann durch die Verwendung einer Lichtfalle gelöst werden.
Statt einem schwarzem Feld befindet sich im Target ein Loch, dahinter ein
innen schwarzer, alles Licht absorbierender Kasten. Man kann sein
Kameratarget selbst in dieser Weise bearbeiten oder gleich ein Target mit
Lichtfalle anschaffen. Wenn man die Lichtfalle selbst ergänzt, muss
anschließend natürlich auch die Referenzdatei editiert werden (L*a*b* für
das Schwarzfeld ist dann 0,0,0).
4) Metamerie ist bei der Kameraprofilierung ein grundsätzliches, in der
Praxis nicht endgültig lösbares Problem, da die fotografische Vorlage - die
Realität - praktisch unendlich viele Pigmente beinhaltet und die spektrale
Zusammensetzung der verwendeten Lichtquellen stark variiert. Nun gibt es
beim Design eines Kameratargets zwei grundsätzliche Strategien:
Der Einsatz von möglichst vielen Pigmenten soll das Problem statistisch
lösen. Wenn dies bedingt durch die Pigmente der Vorlage aber nicht mehr
funktioniert, wirken sich Metamerieeffekte nichtlinear z.T. sogar innerhalb
eines Farbbereichs aus und sind schwer zu korrigieren - eine Erfahrung die
wir schon vom ColorChecker DC kennen. Der andere Lösungsansatz ist,
möglichst wenige Pigmente zu benutzen. Treten dann Metamerieeffekte auf,
sind sie wenigstens weitgehend linear. Die Editierung des Profils ist damit
deutlich einfacher. Ein rechnerischer Ausgleich ist möglich, wenn die
Lichtquellen spektral gemessen werden können und alle Lampen spektral gleich
und konstant sind. I.d.R. sind kleine Korrekturen (z.B. für verschiedene
Lampenvorsätze) per Editierung schneller gemacht als durch eine erneute
Aufnahme des Targets.
Mit freundlichen Grüßen,
Markus Hitzler
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Color Solutions Köln
Markus Hitzler
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basICColor - the basICCs of colormanagement
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>> Von: Stefan Fiedler <info(a)salon-iris.com>
>> Datum: 31. August, 2004 15:35:44 CEST
>> An: eci(a)lists.transmedia.de
>> Betreff: [ECI] Gretag ColorChecker DC vs. SG
>> Antwort an: eci(a)lists.transmedia.de
>>
>> Verfügt bereits jemand über Erfahrungen mit dem neuen Gretag
>> ColorChecker SG (Semi Gloss) und der Qualität der damit erzielbaren
>> Digitalkamera-Profile im Vergleich zum "alten" Gretag ColorChecker DC?
>> Vermutlich spielt auch die verwendete Software eine Rolle?!
>>
...
> Ist das Target tatsächlich besser als der "alte" Colorchecker DC zur
> Profilierung von Digitalkameras, Scanbacks, Cruse-Scanner etc.
> geeignet?
>> mit freundlichen Grüßen
>> Stefan Fiedler
>> Salon Iris, Wien
>>