Re: Professionelle EBV mit Gamma 2,2 ??
by Markus Hitzler, Color Solutions
Hallo Liste,
Wir vermischen in der Diskussion zwei Themenkomplexe, die heute getrennt
betrachtet werden sollten.
1. Speicherung von Farbinformationen
2. Kalibrierung eines Anzeigesystems
Zu 1.:
Bei der Suche nach einem Farbraum für die Speicherung von Daten sind die
technischen Eigenschaften der später benutzen Anzeige- oder Ausgabegeräte
nur teilweise von Bedeutung (z.B. Farbraumgröße).
Wichtig sind folgende Punkte:
- Mit einer möglichst geringen Dateigröße sollen Farbinformation mit
möglichst großer Genauigkeit speicherbar sein. Eine Verteilung, wo in
Bereichen, in denen das Auge besonders empfindlich reagiert, die
Farbkoordinaten geringere Abstände und in weniger kritischen Bereichen
größere Abstände haben, ist dabei von Vorteil.
- Das System sollte gleichermaßen für 8- und 16-bit Daten funktionieren
- Farborte sollten eindeutig beschrieben sein
- Die Größe des Farbraumes muss die meisten farbverarbeitenden Systeme (Ein-
und Ausgabe) abdecken, sollte aber möglichst wenig Farbbereiche beinhalten,
die ein- oder ausgabeseitig nicht genutzt werden können.
- Das Farbsystem sollte keine Unstetigkeiten besitzen.
- Die Farbsystembeschreibung - das ICC-Profil - sollte möglichst einfach
sein, und wenig Speicherplatz beanspruchen.
- Das Farbsystem sollte auf möglichst vielen Systemen nutzbar sein. Die
Verarbeitung sollte auch mit geringen Hardware-Resourcen (z.B. in einer
Digitalkamera) schnell sein.
Diese Forderungen werden heute am besten von einem RGB-Matrix-Farbraum
erfüllt. Für die Gesichtspunkte Koordinatenverteilung und Farbraumgröße
stellt die Kombination NTSC-Primärfarben (Farbraumgröße) und Gamma 1,8
(Koordinatenverteilung) einen sehr guten Kompromiss dar.
Das Gamma von 1,8 erhöht die Koordinatendichte bei den für das Auge
besonders kritischen helleren Tönen bis in den Mitteltonbereich sowie um die
Grauachse. Dies ist besonders bei der Speicherung von 8-bit-Daten
interessant. Durch die höhere Koordinatendichte in kritischen Bereichen
steht dort bei der Umsetzung in oder aus 16-bit-Profilen mehr Information
zur Verfügung. Stark vereinfacht ausgedrückt hat man durch die
Koordinatenverschiebung also in kritischen Farbereichen ein "virtuelles Bit"
mehr zur Speicherung der Farbinformation zur Verfügung.
Fokussiert man sich bei der Ausgabe auf heutige Printsysteme, wäre eine
etwas andere Form des Farbraums wünschenswert. Die Form des Farbraumes ist
bei Matrixprofilen aber nur sehr eingeschränkt steuerbar. Da Rot+Grün+Blau
Weiss ergeben müssen, bestehen für die Eckkoordinaten nur 6 Freiheitsgrade.
D.h. dass z.B. nur zwei Eckkoordinaten frei wählbar sind - die dritte
ergibt sich von selbst. Ein LUT-Profil würde größere Freiheit bei der Form
des Farbraumes erlauben, lässt sich aber nicht so universell einsetzen,
beansprucht deutlich mehr Speicherplatz und hat meist Unstetigkeiten, wenn
es auf realen Systemen beruht.
Zu 2.:
Bei der Kalibrierung von Monitoren wurde bisher (sehr hardwarenah in
Anlehnung an die CRT-Technologie) auf ein bestimmtes Gamma kalibriert. Wie
Herr Widmer beschrieben hat, sind dabei der Anwendungszweck bzw. die
Umgebungsbedingungen des Bildanzeigesystems ausschlaggebend für die Wahl des
Gammawertes.
Solange man nur die Darstellung von RGB-Daten in Matrixfarbräumen auf
Monitoren betrachtet, ist die Koordinatenverteilung, die sich durch die
herkömmliche Gamma-Technologie ergibt, hervorragend.
In der Druckvorstufe sollen aber meist Drucksysteme simuliert werden. Dabei
müssen Arbeitsfarbraum (RGB oder CMYK), Printerfarbraum (RGB oder CMYK) und
Monitorfarbraum (RGB) miteinander verrechnet werden. Für diese Aufgabe
bringt eine intelligentere farbmetrische Kalibrierung des Monitors eine
Koordinatenverteilung, die für die Verrechnung der Profile geeigneter ist.
Damit ergibt sich bei gleicher Bittiefe i.d.R. ein genauerer Softproof.
Diese Art der Kalibrierung eines Anzeigesystems ist neu am Markt. Eine
detaillierte Diskussion dieses Themas geht hier wohl zu weit.
Bei der Frage nach dem geeignetsten Arbeitsfarbraum geht¹s primär um die
SPEICHERUNG von Farbinformation.
Die Frage ist also, ob wir bei der Ausgabe professioneller Daten von der
korrekten Anwendung von Farbmanagement ausgehen können und damit bei der
Gestaltung des Arbeitsfarbraumes den Fokus auf Eingabe und Speicherung legen
(wie bei ECI-RGB geschehen).
Alternative ist die Angleichung des Profi-Arbeitsfarbraumes an sRGB, um die
Daten über einen sRGB-Officeworkflow mit Ausgabe ohne (kontrolliertes)
Farbmanagement mit geringeren Abweichungen verarbeiten zu können.
Auch das gibt's schon: Adobe-RGB.
Viele Grüße,
Markus Hitzler
Am 16.09.2003 09:13 Uhr schrieb "eci-request(a)lists.transmedia.de" unter
<eci-request(a)lists.transmedia.de>:
> Message: 5
> Date: Mon, 15 Sep 2003 18:24:53 +0200
> Subject: Re: [ECI] Professionelle EBV mit Gamma 2,2 ??
> From: Erwin Widmer <erwin(a)widmer.net>
> To: eci(a)lists.transmedia.de
> Reply-To: eci(a)lists.transmedia.de
>
> Hallo Liste,
>
> Ich möchte mal wieder meine alten Weisheiten zu dem Gammas loswerden.
>
> Auf den PC's verwendet man das Gamma 2.2, weil das der sRGB-Standard so
> vorschreibt. Dabei ist auch vorgeschrieben, dass der Monitor in einem
> dunklen Raum benutzt wird!
>
> Will man die gleichen Grautöne und Farben in einem erhellten Raum (ca.
> 50 Lux) sehen, muss das Gamma auf 1,8 geändert werden. Das kann mit
> einfachen Versuchen auf Monitoren dargestellt werden. Da in der
> Vorstufe schon immer in hellen Räumen gearbeitet wurde, ist hier das
> Gamma von 1.8 richtig.
>
> Wollen Sie aber Videos ansehen, die eben standardgemäss in dunklen
> Räumen erstellt und angesehen werden, sollten Sie das Gamma 2.2
> verwenden. Das hat nichts mit PC's oder Mac's zu tun, sondern nur mit
> der Umgebungsbeleuchtung um den Monitor herum.
>
> Da PC's meist mit sRGB (ist standardisiert für Internet und
> Videoapplikationen) arbeitet, muss man in dunklen Räumen arbeiten und
> das Gamma 2.2 verwenden.
>
> Da der Mac vorwiegend für die Druckvorstufe in hellen Räumen eingesetzt
> wird, hat sich hier das Gamma 1.8 eingebürgert.
>
> Es gibt jede Menge Literatur im Internet, die diese Umstände
> beschreiben. Trotzdem werden die Gammas von den meisten Fachleuten
> immer noch nicht richtig zugeordnet!
>
>
> Mit freundlichen Grüssen:
>
>
> Erwin Widmer