Hallo Jan-Peter, hallo Liste,
Ein Gamma von 2,2 für den Arbeitsfarbraum hat meiner Erfahrung nach Vor- und
Nachteile.
Theoretische Vorteile der beiden Systeme:
Gamma 2,2
Da das Hardware-Gamma heutiger CRTs bei ca. 2.2 liegt, sorgt es heute dafür,
dass bei der Monitordarstellung zwischen Programmen ohne Farbmanagement und
Programmen mit Farbmanagement (auf AdobeRGB oder sRGB konfiguriert) die
Gradation ähnlich bzw. gleich dargestellt wird.
Flachdisplays haben meiner bisherigen Erfahrung nach aber im Vergleich zu
CRT-Monitoren ein im Schnitt etwas höheres Gamma. Mit dem Wechsel vom CRT
zum Flachdisplay relativiert sich also die obige Aussage
(Gradationsdarstellung mit und ohne Farbmanagement möglichst identisch).
Unter dieser Forderung würde sogar ein Farbraum mit noch höherem Gamma z.B.
Gamma=2,4 Sinn machen.
Was aber definitiv bleibt, ist die bessere Angleichung professioneller
Bilddaten an den Officestandard sRGB und damit die höhere Fehlertoleranz bei
der Weiterverarbeitung.
Gamma 1,8
Ein niedrigerer Gammawert von z.B. 1,8 hat hingegen den Vorteil, dass gerade
in den besonders kritischen hellen Bereichen, sowie um die Grauachse eine
höhere Speichergenauigkeit durch die höhere Koordinatendichte in diesen
Bereichen erreicht werden kann. Dieser Umstand ist besonders bei der heute
üblichen Datenarchivierung in lediglich 8 bit bei Datenerfassung durch
Scanner und Kameras in 12 bis 16 bit von großer Bedeutung. Ein
Arbeitsfarbraum dient primär der Speicherung der Daten. Daher halte ich
diesen Punkt bei der technischen Betrachtung für das wichtigste Kriterium
für die Auswahl des Gammas des Arbeits- und damit Speicherfarbraums. Dass
1,8 in der "Farbmanagementsteinzeit" ursprünglich aus ganz anderen Gründen
gewählt wurde, tut dabei nichts zur Sache. Es hat sich einfach als nützlich
erwiesen. Werden 16-bit Daten archiviert, spielt die Koordinatenverteilung
durch das Gamma nur noch eine untergeordnete Rolle.
Die technische Wiedergabe durch Ausgabesysteme muss heute davon getrennt
betrachtet werden:
Beim Einsatz marktüblicher Röhrenmonitore musste bisher eine Anpassung des
Gammas des Arbeitsfarbraumes an das Hardwaregamma des Monitors vorgenommen
werden, da dieses sich i.d.R. nicht beeinflussen ließ. Geschieht dies in 8
bit auf der Grafikkarte, gehen dabei einige Stufen verloren.
Dieses Limit existiert aber nicht mehr bei Einsatz hochwertiger
Flachdisplays. Da moderne Panel in 10 bit angesteuert werden, kann das
"Hardwaregamma" für die 8-bit-Daten nahezu beliebig gewählt werden. EIZO
bietet bei den Geräten CG21 und CG18 sogar eine exakte messtechnische
Einstellung des Gammas. Ferner gibt es für die Kalibrierung von Monitoren
inzwischen neuere Methoden, die der herkömmlichen Gamma-Kalibrierung vor
allem in Hinblick auf die Simulation von Drucksystemen deutlich überlegen
sind. Die Gamma-Technologie ist also langfristig lediglich als Grundlage
eines möglichst einfachen Speicherfarbraumes von Interesse. Der Bedeutung
des Bezugs zum Ausgabegerät Monitor schwindet.
Praktische Gesichtspunkte für die Fotografie:
Ein RGB-Arbeitsfarbraum hat die größte Bedeutung für die digitale
Fotografie. Das wichtigste Kontrollmittel in diesem Bereich ist eine
Graukarte. Heute sind zwei Kartentypen verfügbar:
1. Graukarte zur Belichtungsmessung, Remission=18%/L*=50, laut DIN/ISO
2. metameriefreie Graukarte zum Grauabgleich, Remission=25%/L*=60, auf
mittleres ECI-RGB abgestimmt, Belichtungskorrektur 1/2 Blende
Beide Kartentypen ergeben in ECI-RGB mit Gamma 1.8 glatte, gut zu
handhabende Kontrollwerte:
L*=50: RGB(Gamma 1,8)=100-100-100
L*=60: RGB(Gamma 1,8)=127-127-127
Eine sinnvolle Alternative zum Gamma von 1,8 wäre unter diesem Gesichtspunkt
ein Gamma von 2,4: hier besitzt das mittlere RGB-Grau (R=G=B=127) einen
Helligkeitswert von L*=50. Damit läge das wichtigste Kontrollmittel des
Fotografen - die Graukarte - genau in der Mitte des RGB-Farbraumes..
Kontrollwerte für die Graukarten:
L*=50: RGB(Gamma 2,4)=127-127-127
L*=60: RGB(Gamma 2,4)=150-150-150
Gamma=2,2 ist unter diesem Gesichtspunkt äußerst unpraktisch.
Hier hat das mittlere RGB-Grau einen L*-Wert von 54.
Damit müssten für die verfügbaren Graukarten krumme Kontrollwerte benutzt
werden
L*=50: RGB(Gamma 2,2)=119-119-119
L*=60: RGB(Gamma 2,2)=143-143-143
Ein dritter Kartentyp dürfte den Fotografen vollkommen verwirren. L50-Karten
(= Gamma 2.4, z.B. Kodak) und L60-Karte (= Gamma 1.8, z.B. basICColor
Graukarte, Belichtungskorrektur: 1/2 Blende) sind genug!
Wenn wir nun schon die Vorteile von ECI-RGB, zugunsten der Übereinstimmung
mit nicht-ICC-fähigen Consumersystemen (die in naher Zukunft sicher ein
Flachdisplay beinhalten) aufgeben, und den Fokus bei der Speicherung von der
Eingabe- auf die Ausgabeseite verlegen, sollten wir vielleicht direkt ein
Gamma von 2,4 ins Auge fassen.
Die Abweichungen zu sRGB halten sich (für Consumer) noch in Grenzen. Der
Unterschied ist auf jeden Fall geringer als zwischen sRGB und ECI-RGB.
Mittleres RGB-Grau:
Gamma 1,8: L*= 60
Gamma 2,0: L*= 57
Gamma 2,2: L*= 54
Gamma 2,4: L*= 50
ECI-RGB als großer, für die mittel- bis langfristige Archivierung von
Bilddaten geeigneter Farbraum setzt sich gerade erst in größerem Stil durch.
Der Arbeitsfarbraum ist nun seit einigen Jahren erprobt und hat sich recht
gut bewährt. Die technischen Vor- und Nachteile des Wechsels zu einem Gamma
von 2,2 wiegen sich bei objektiver Betrachtung gegenseitig auf. Ich
persönlich gewichte die bessere Speichergenauigkeit in für das Auge
kritischen Bereichen höher als die Anpassung an einen Amateurworkflow ohne
Farbmanagement.
Ein ECI-RGB-Nachfolger (der sicher irgendwann kommen wird) sollte auch die
neuen Einsatzgebiete von Flachdisplays in der Werbewirtschaft
berücksichtigen. Sichere Aussagen zu diesem Thema sind aber zur Zeit
aufgrund der rasanten technischen wie anwendungs- und kostentechnischen
Weiterentwicklung nur schwer zu treffen.
Die Einführung eines neuen Arbeitsfarbraumes zum jetzigen Zeitpunkt würde
die Anwender auch wieder verunsichern. Aus diesen Gründen halte ich die
Beibehaltung des jetzigen ECI-RGB für die nächsten Jahre am vernünftigsten.
Viele Grüße aus Köln
Markus Hitzler
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Markus Hitzler
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Am 15.09.2003 15:32 Uhr schrieb "eci-request(a)lists.transmedia.de" unter
<eci-request(a)lists.transmedia.de>de>:
Message: 5
Date: Mon, 15 Sep 2003 13:53:13 +0200
From: Jan-Peter Homann <homann(a)colormanagement.de>
To: "eci(a)lists.transmedia.de" <eci(a)lists.transmedia.de>
Subject: [ECI] Professionelle EBV mit Gamma 2,2 ??
Reply-To: eci(a)lists.transmedia.de
Hallo Liste
Mit diesem Beitrag möchte ich eine Diskussion anstoßen, inwieweit ein
Gamma von 2,2 auch für professionelle EBV-Arbeitsfarbräume und die
Monitorkalibrierung Vorteile gegenüber einem Gamma von 1,8 hat.
Nach meinen Recherchen ist das Gamma von 1,8 ein Relikt aus der MacOS
Colormanagement-Steinzeit, bei der er es wichtig war ohne
Colormanagement auf dem Monitor Graustufen wie auf dem Apple Laserwriter
darzustellen. Da die EBV-Welt traditionell Mac-Anwender sind, und den
Teufel MicroSoft und sRGB mit Gamma 2,2 hassen, war klar das ein
"professioneller" EBV Arbeitsfarbraum wie ECI-RGB ein Gamma von 1,8
haben sollte.
Arbeitet man mit einem durchgängigen Colormanagement, so können sowohl
beim Arbeitsfarbraum als auch beim Monitorprofil Gamma-Werte von 1,8,
2,0 oder 2,2 in beliebigen Kombinationen eingesetzt werden.
Welches Gamma für den Arbeitsfarbraum und den Monitor gewählt wird,
hängt dann im wesentlichen davon ab:
1) inwieweit auf einem Monitor auch RGB-Daten ohne Colormanagement
angezeigt werden (PowerPoint, Internet)
2) Welches Gamma visuell gleichmäßige Tonwertabstufungen im RGB-Farbraum
ergibt.
3) Welches Gamma "fehlerfreundlicher" ist, wenn ein Anwender ein
RGB-Bild einmal in einem Office- oder Internetworkflow einsetzt, ohne es
explizit nach sRGB zu konvertieren.
Für alle Punkte ist ein Gamma von 2,2 besser geeignet als 1,8
Daher fände ich es sinnvoll zu überlegen, ob es nicht Zeit für ECI_RGB
2.0 mit einem Gamma von 2,2 ist.
Mit farbigen Grüßen aus Berlin
Jan-Peter Homann
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