Re: [ECI] Gretag ColorChecker DC vs. SG, Kameratargets; Metamerie, Multi-Target-Profiling
by Markus Hitzler, Color Solutions
Hallo Herr Fiedler,
Das Metamerie-Problem ist systematisch und endgültig wirklich nur mit
spektraler Aufnahmetechnik zu lösen. Versuche dazu laufen nicht nur am RIT,
sondern z.B. auch bei unserer Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) in
Berlin. Auch wir haben schon mit dem Kanal-Shift-Verfahren experimentiert.
Bis sich daraus marktreife, praxisorientierte und bezahlbare Produkte
entwickeln, gehen aber noch einige Jahre ins Land - leider.
Um Metamerieeffekte bei 3-kanaligen Aufnahmegeräten zu reduzieren müßte die
Profiliervorlage exakt dieselben Pigmente verwenden, wie die aufzunehmenden
Objekte. Metameriefrei können nur Farben mit absolut gerader Spektralline
(also die verschiedenen Grautöne) sein. ALLE bunten Farben zeigen
Metamerieeffekte. Je mehr verschiedene Pigmente verwendet werden, desto
ungleichmäßiger werden i.d.R. die Auswirkungen dieser Effekte. Ob der
ColorChecker SG in Ihrem Umfeld mehr oder weniger Metamerieeffekte zeigt,
hängt nicht nur vom Target selbst, sondern genauso stark von Ihren Vorlagen
und Ihrem Licht ab.
Multi-Target-Profiling
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Da es DAS für alle Situationen ideale Target für die Fotografie niemals
geben kann, zeigt Color Solutions auf der Photokina (Ende September in Köln)
eine neue Technologie - das "Multi-Target-Profiling".
Im neuen basICColor input (Nachfolger von dcam und scan) können zur
Profilierung bei Bedarf mehrere Targets miteinander kombiniert und wahlweise
mit Scanner- oder Kamera-Profilierungsalgorithmus ausgewertet werden.
So können z.B. ein mit fotografischem Material hergestelltes Target
(besonders geeignet zur Beschreibung des grundsätzlichen Kameraverhaltens
und der Koordinatenverteilung im Kamerafarbraum), ein Graukeil (möglichst
metameriefrei), eine Lichtfalle und eventuell ein selbst hergestelltes
kleines Target mit bestimmten Pigmenten oder sogar Objekte mit bekannten
Farben zusammen aufgenommen und ausgewertet werden.
So lässt sich die Profilierung viel besser den individuellen Aufgaben
anpassen.
Metameriefehler
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Frage bei der Anwendung ist nun, ob Sie durch Metamerie hauptsächlich
Probleme an der Grauachse haben, oder ob vor allem die exakte Reproduktion
von bunten Flächen Ärger macht.
Die Grauachse
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Dieses Problem läßt sich recht gut durch den Profilierungs-Algorithmus
abfangen. Hierzu wird die Kalibrierung der Kamera auf eine metameriefreie
Graukarte (z.B. basICColor Graukarte) in die Profilierung mit einbezogen.
Die Kalibrierung sorgt für ein neutrale Grauachse - weitgehend unabhänig vom
Licht. Die Profilierung regelt hier nur die Gradation. Das Profil wird so
geschrieben, dass Veränderungen des Lichts - v.a. an der Grauachse - über
die Kalibrierung abgefangen werden können. Dies ist der wesentlichste
Unterschied zwischen den Algorithmen für Systeme mit variabler Beleuchtung
(Kameras) und fixer Lichtquelle (Scanner).
Bunte Farben
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Hier wird's etwas schwieriger: Um beim Beispiel der Kunstreproduktion zu
bleiben, bräuchten Sie von jedem Künstler ein Target, das mit den vom Ihm
verwendeten Farben hergestellt ist. Dieses wird dann spektral eingemessen,
Ihr Reproduktionslicht wird spektral vermessen und so ein Licht- und
Pigment-abhängiges Profil erstellt. Eine spektrale Profilierung ist mit
beiden von Ihnen angesprochenen Produkten möglich - der Aufwand für die
Herstellung eines kompletten, individuellen Targets wird aber in der Praxis
wohl nicht zu machen sein. Alternative ist die Kombination von Targets.
Bei der Verwendung von Standard-Targets (IT8, HCT, dcam, ColorChecker
DC/SG,...) ist das Ergebnis mal mit dem einen, mal mit dem anderen Target
besser - je nachdem welche Pigmente die Vorlage per Zufall gerade hat.
Fehler durch Metamerie können reduziert, aber nicht 100%ig eliminiert
werden. Deshalb sollten sie, wenn sie auftreten, möglichst gleichmäßig sein,
damit die Korrektur leichter fällt.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei den Vorlagen der Fotografie ist neben der
Metamerie die "Volumenstreuung". Alle heutigen Kameratargets sind mit
Materialien hergestellt, die das Licht direkt an der Oberfläche reflektieren
bzw. absorbieren. Bei fotografierten Objekten dringt das Licht jedoch z.T.
sehr tief in das Material ein (z.B. Kunststoffe, Stoffe, Wachs, menschliche
Haut - die "Transparenz" der Haut ist sogar von Mensch zu Mensch sehr
verschieden). Auch diese optischen Effekte können die Farbe
beleuchtungsabhängig beeinflussen (tritt ebenfalls vor allem dann auf, wenn
Aufnahmenlicht und Betrachtungslicht sich stark unterscheiden).
Editierung von Profilen
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Das "Fein-Tunig" von Kameraprofilen wird sich also nicht ganz vermeiden
lassen. Zumal der durchschnittliche Betrachter oft bei bunten Farben keine
realistische Wiedergabe möchte (der Klassiker: wieder die Haut, auch unter
diesen Gesichtspunkten bringen also z.B. viele Hautton-Felder im Target
leider nicht viel).
Genauso wie beim klassischen Scan, wo es sich nicht lohnt, für wirklich jede
Emulsion per entsprechendem Target ein eigenes Scannerprofil herzustellen,
kommt man also auch bei Kamera's um Farbretuschen nicht völlig herum. Eigene
Profile verkürzen aber i.d.R. den Weg zum gewünschten Ergebnis deutlich.
Häufig benötigte Retuschen steckt man über eine Editierung in ein eigenes
Profil, weniger häufige macht man als Bildretusche.
Als Profileditor ist meiner Erfahrung nach Photoshop zusammen mit einem
Profiler am besten geeignet, da hier sehr viele und sehr feine Werkzeuge zur
Verfügung stehen und visuell gearbeitet werden kann. Weil die meisten
Anwender Photoshop obendrein besser beherrschen als einen Profileditor, wird
das gewünschte Ergebnis über Photoshop zudem meist schneller erreicht.
Zum einen ist das Editieren von Profilen also zum Fein-Tuning (Ausgleich von
Metamerie- und Volumenstreu-Effekten) nötig. Individuell editierte
Kamera-Profile werden aber auch eingesetzt, um über die Profilauswahl
Standard-Bildretuschen zu ersetzen, da diese über das Profil in der
Kamerasoftware effizienter und - da direkt auf die Rohdaten gerechnet - z.T.
auch mit höherer Qualität ablaufen. Das Editieren von Profilen ist also auch
eine wirkungsvolle Möglichkeit den Arbeitsablauf im Studio zu beschleunigen.
Profilieren des Cruse-Scanners
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Beim Cruse-Scanner würde ich wegen der größeren Dynamik und des größeren
Farbumfangs zunächst mit einem hochwertigen Target mit hochglänzender
Oberfläche arbeiten (z.B. Hutch Color Target oder dcam gloss). Semimatt
verkleinert den Farbraum des Targets. Dies ist bei der hervorragend
steuerbaren Ausleuchtung dieses High-End-Kamera-Scanners unnötig.
Zum Profilieren eignet sich der dcam-Kameragrau-Algorithmus mit
Grauachsenkalibrierung per metameriefreier Graukarte sehr gut. Damit sollten
die Metamerieprobleme in der Nähe der Grauachse gelöst sein.
Um die Floureszenzlichtquellen der Beleuchtung genau zu berücksichtigen,
muss spektral profiliert werden (spektrale Profilierung: spektrale Messung
des Lampenspektrums, am besten über die metameriefreie Graukarte, über die
anschließend auch kalibriert wird -> Berechnen der Referenzwerte für dieses
Licht -> Profilierung mit diesen Referenzwerten).
Damit ist dann die Koordinatenverteilung des Gerätefarbraums gut erfasst.
Durch die spektrale Profilierung sollten auch die Metamerieeffekte bei
bunten Farben schon deutlich reduziert sein. Der Rest ist von Ihren Vorlagen
abhängig und Fein-Tuning.
"Fehler" im Profil treten vor allem im Farbbereich außerhalb des Targets
auf, da hier extrapoliert werden muss. Weisen Ihre Vorlagen buntere Farben
als das Target auf, kann mit dem neuen bc input (ab ca. Ende 2004 verfügbar)
per Multi-Target-Profiling auch eigene Farben in die Profilierung
miteinbezogen werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Markus Hitzler
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Color Solutions Köln
Markus Hitzler
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Telefon: +49 (0)221 99 175 80
Fax: +49 (0)221 99 175 81
Mobil: +49 (0)171 8390333
Email: markus.hitzler(a)color-solutions.de
Web: http://www.basICColor.de
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basICColor - the basICCs of colormanagement
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Am 01.09.2004 12:00 Uhr schrieb "eci-request(a)lists.transmedia.de" unter
<eci-request(a)lists.transmedia.de>:
> --__--__--
>
> Message: 2
> Date: Wed, 1 Sep 2004 10:13:34 +0200
> To: eci(a)lists.transmedia.de
> From: Stefan Fiedler <info(a)salon-iris.com>
> Subject: Re: [ECI] Gretag ColorChecker DC vs. SG, Kameratargets
> Reply-To: eci(a)lists.transmedia.de
>
> Hallo Herr Hitzler,
>
> Vielen Dank für die ausführliche Beantwortung meiner Frage. Vor allem
> das von Ihnen unter Punkt 4) angeführte Problem der Metamerie macht
> uns immer wieder zu schaffen. Da wir vorwiegend mit Scanback-Kameras
> bzw. Cruse-Scanner unter sehr kontrollierbaren
> Reproduktionsbedingungen arbeiten sind die Punkte 1-3 weniger
> kritisch.
>
> Ich hatte gehofft, dass das neue ColorChecker SG Target weniger
> Metamerie aufweist, können sie das bestätigen? Wieviel Einfluß hat
> Ihrer Meinung die Profilierungssoftware (z.B. basICColor DCam vs.
> Gretag Profile Maker 5 Digitalkamera Modul) auf das Ergebnis der
> Profilierung?
>
> Fotobasierende Targets (IT8, Hutchcolor) haben unserer Erfahrung auf
> Grund der Fotomaterial-spezifischen Eigenschaften nur Vorteile bei
> der Reproduktion gleichartiger Fotovorlagen.
>
> Ein interessanter - vorerst aber noch wenig praktikabler - Ansatz
> scheint das sog. "Multi Channel Spectral Imaging" zu sein (siehe z.B.
> http://www.art-si.org/). Was meinen Sie dazu?
>
> Es ist auch erstaunlich, dass einige Digitalkamera-Hersteller (z.B.
> Phase One) mitunter bessere Standard-Kameraprofile mitliefern als wir
> mit den bisher von uns getesteten Software/Target Kombinationen
> individuell unter Reprobedingungen erzielen konnten.
>
> Mit freundlichen Grüßen
> Stefan Fiedler
>
>