Lieber Dietmar,
Dass Ideen, deren Zeit reif ist, zu ungefähr gleicher Zeit von mehreren
Seiten geäußert und diskutiert werden, kommt häufig vor - genauso wie die
spätere rückwärtsgewandte Betrachtung nach dem Motto "weeeeer hat's
erfuunden?".
Ich möchte das nicht allzu weit auswalzen, einige Dinge müssen aber einfach
richtig gestellt werden, da sie leider unvollständig und teilweise falsch
wiedergegeben und Vermutungen als Fakten dargestellt sind.
Im Detail:
Technisches Konzept
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Der technische Ansatz von Color Solutions war nie nur einen
RGB-Arbeitsfarbraum zu konstruieren. Es geht vielmehr um die Abstimmung
eines Workflowsystems, in dem die Gradation des RGB-Arbeitsfarbraumes
einerseits in Hinblick auf die Darstellung am Monitor, andererseits aber
auch gut für die Weiterverarbeitung in Druckprozessen gewählt wird.
Dies haben wir Ende der 90er Jahre mit ColorSolutions-RGB - dem späteren
ECI-RGB v1.0 - auf Basis von Gamma 1.8 getan und parallel dazu unseren
Anwendern auch die Kalibrierung des Monitors auf das entsprechende Gamma 1.8
empfohlen. In Hinblick auf den Druck wurde damals Gamma 1.8 gewählt, da es
im Mittelton der Gradation des Offsetdrucks entspricht.
Als Nachfolge des Gamma-1.8-Systems wurde ein System auf Basis von L* aus
dem L*a*b*-Farbraum konzipiert, dessen Arbeitsfarbraum wiederum auf RGB
aufsetzen sollte. Auf Monitorseite wurde für das neue System die
L*-Kalibrierung, die Color Solutions zusammen mit Integrated Color Solutions
neu in den DTP- und Foto-Markt eingeführt hat, entworfen. Auf der Druckseite
sorgte der Wechsel weg vom konventionellen drucktechnischen Ansatz
(Ähnlichkeit zu einer einzigen bestimmten Druckgradation: Offset) hin zum
farbmetrischen Ansatz für eine gute Kodierungs- und
Transformationseffizienz. Ferner wurde so eine bessere Medienneutralität
geschaffen, die angesichts der raschen Verbreitung von neuen
Digitaldruckverfahren immer größere Bedeutung gewinnt.
L* wurde weder von Color Solutions noch der ECI noch Heidelberg erfunden,
sondern entstammt einer Norm - nebenbei gesagt: sogar einer sehr alten Norm.
Die Innovation von Color Solutions besteht in der Abstimmung zwischen einem
RGB-Arbeitsfarbraum, der Monitorkalibrierung und der Weiterverarbeitung der
Daten in Druckprozessen auf Basis der aus dem L*a*b*-System abgeleiteten
"L*-Gradation". Auslöser für die Entwicklung in unserem Hause war, dass sich
mit der Einführung der Flachbildschirme neue, künftig viel freiere Optionen
bei der Gradationskalibrierung abzeichneten. Die Überarbeitung des
Arbeitsfarbraumes war nur eine logische und notwendige Folge der neuen
Monitorprofilierungsmethode, nicht der Ausgangspunkt.
Der genannte alte Heidelberg-Farbraum LAB-LH ist mit dem LStar-System nicht
vergleichbar. Zum einen handelt es sich dabei nur um eine geänderte
Kodierung der a*- und b*-Achsen des LAB-Farbraumes - keinen RGB-Farbraum mit
L*-Grauachse. Auch LAB-LH hat wie LAB hinsichtlich realer Gerätefarbumfänge
eine geringere Kodierungseffizienz als ein gut dimensionierter
RGB-Arbeitsfarbraum und zudem alle Praxisprobleme von LAB-Daten. Auch wurde
von dieser Firma niemals eine entsprechend optimierte Monitorkalibrierung
und somit kein im obigen Sinn komplett abgestimmtes System kreiert. Die
entsprechende Monitorprofilierung hatte soweit ich mich noch entsinne
überhaupt keine Gradationskalibrierung, die betroffenen Produkte sind vom
Markt verschwunden, deren Produktion ist seit Jahren eingestellt.
Verbreitungsbedingungen von LStar-RGB und eciRGB_v2
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Der Farbraum LStar-RGB ist in der Vergangenheit immer und für alle Anwender
und Anwendungen ein absolut kostenfreies Non-Profit-Produkt gewesen. Die
einzige Einschränkung, die wir vorgenommen haben, ist, dass Dritte das
Profil nicht verändern (z.B. mit anderen Copyright-Vermerken versehen) oder
verkaufen dürfen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, muss aber
aus rechtlichen Gründen in Verbreitungsbedingungen fixiert werden. Wenn ein
anderer Hersteller dieses Profil in seine Software integrieren wollte, war
und ist das ausdrücklich erwünscht - eine Benachrichtigung/Anfrage an uns
als Hersteller war aber wohl in keinem Fall zu viel verlangt. Color
Solutions hat bis heute niemandem auch nur einen einzigen Cent für die
Nutzung von LStar-RGB berechnet. Die neuen Lizenzbedinungen für eciRGB_v2
wurden in Zusammenarbeit von ECI und Color Solutions - namentlich von Karl
Koch und Olaf Drümmer - erstellt.
Zur Entstehung des neuen Arbeitsfarbraums
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Die angesprochene Diskussion in der ECI-Liste über einen Nachfolgefarbraum
zu ECI-RGB v1.0 wurde damals von Jan-Peter-Homann angestoßen. Er hatte
vorgeschlagen, von ECI-RGB v1.0 mit Gamma 1.8 auf ein ECI-RGB v2.0 mit Gamma
2.0 als Kompromiss zwischen Gamma 1.8 (Vorstufe) und Gamma 2.2 (Foto) zu
wechseln. Hier wurde unter anderem von Dir für einen Wechsel zu Gamma 2.2
weg von Gamma 1.8 argumentiert, da es "linearer" und im Fotobereich weiter
verbreitet ist. Von einem neuen Farbraum auf Basis von L* war nicht die Rede
- genauso wenig wie von einer differenzierten Betrachtung von Gamma 2.2
gegenüber der sRGB-Gradation (Gamma 2.2 mit Tiefenverbesserung). Die
sRGB-Kurve fehlt auch in der Excel-Tabelle, obwohl die weite Verbreitung von
sRGB eines der wichtigsten Argumente für einen Wechsel zu Gamma 2.2 war.
Zu diesem Zeitpunkt war der erste und bei weitem aufwändigste Baustein des
LStar-Systems - die Programmierung der L*-Monitorkalibrierung in basICColor
display 2 - längst fertig, bereits am Markt erschienen und im Vertrieb. Eine
Beta-Version eines neuen Farbraumes mit L*-Gradation war unter dem internen
Namen "L*-ECI.icc" in der Erprobung. Ich hatte in der Diskussion für
Gamma-Gradationen für die Beibehaltung von Gamma 1.8 als
Standard-Gammagradation argumentiert, da die Umverteilung der Koordinaten
durch Gamma 1.8 zugunsten von Mittelton und Licht in der Praxis wenigstens
nutzbar ist. Ich hatte gegen den geforderten Wechsel zu Gamma 2.2 votiert.
Grund war und ist die sehr ungünstige Koordinatenverteilung durch Gamma 2.2
mit einer sehr flachen, in der Praxis nicht nutzbaren, überkodierten
Tiefenzeichnung.
Zum Thema "Gamma 2.4" (im Mittelton) im Rahmen dieser Diskussion:
Als wirklich neue Alternative für eine neue Gradation hatte ich in der
Diskussion die Anhebung der Gradation im Mittelton über Gamma 2.2 hinaus
vorgeschlagen, mit dem Ziel, dass das farbmetrisch mittlere Grau von L*=50
auch dem mittleren RGB-Wert von 128 zugeordnet wird. Die Angabe von Gamma
2.4 in der Diskussion erfolgte dabei bereits im Hinblick darauf, das
LStar-RGB (oder zu diesem Zeitpunkt: L*-ECI.icc) im Mittelton einem Gamma
von 2.4 entspricht (genau genommen 2.43). Diskussionspunkt war, dass so das
mittlere RGB-Grau (128/128/128) genau das mittlere farbmetrische Grau (Lab =
50/0/0) kodiert. Das bedeutet nichts anderes als die farbmetrische
Linearität der RGB-Werte. Genau das wurde in der Diskussion aber abgelehnt,
mit dem Argument, dass solche "Kleinigkeiten" für die Praxis unwichtig wären
und für die Kontrolle des Mitteltons genauso gut die krummen Zahlenwerte von
Gamma 2.2 benutzt werden könnten. Damit ist genau das, was LStar-RGB und
eciRGB_v2 ausmacht - die Linearität der RGB-Werte der Grauachse zu L* - zu
diesem Zeitpunkt explizit abgelehnt worden: sowohl in der öffentlichen
Diskussion über die Liste, als auch in einem ECI-Meeting in Hamburg.
Jetzt - gleich über 2 Listen ;-) - zu behaupten, Color Solutions hätte aus
der von Dir rund gesendeten groben Excel-Grafik (mit der zudem für Gamma
2.2 argumentiert wurde), das LStar-RGB-Profil gemacht - ich bitte Dich.
Es tut mir leid, wenn der offizielle Erscheinungstermin von LStar-RGB (unter
diesem Namen) solche Vermutungen in Dir geweckt hat, die nun offensichtlich
seit Jahren in Dir schwelen. Ich kann Dir versichern: es verhält sich
wirklich anders und es freut mich, dass Du heute so viel Energie und Zeit in
die Verankerung von eciRGB_v2 als Norm investierst.
Eindeutiges Indiz für die zeitliche Abfolge ist, dass die Programmierung der
L*-Monitorprofilierung - der wesentliche Teil des LStar-Systems - zum
Zeitpunkt des damaligen ECI-Meetings bzw. der Listen-Diskussion nicht nur
schon längst technisch abgeschlossen, sondern die Software sogar schon im
Verkauf war.
Color Solutions empfiehlt seit über 10 Jahren die Abstimmung von
RGB-Arbeitsfarbraum und Monitorgradation. Wir haben dies zuerst mit Gamma
1.8 getan (ColorMatchRGB, ColorSolutions-RGB, eciRGB v1.0) und dieses
Arbeitsprinzip selbstverständlich auch nach Einführung der
L*-Monitorkalibrierung beibehalten. Deshalb wurde zusammen mit der neuen
Kalibriermethode auch ein entsprechender Arbeitsfarbraum geschaffen.
Dass Deine Gamma-Auswertung damals unsere Einwände gegen die zu diesem
Zeitpunkt von vielen Seiten für die Standardisierung favorisierte
Gamma-2.2-Gradation bei genauer Betrachtung bestätigt hat, hat mich damals
gefreut - auch wenn diese Interpretation zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle
teilen konnten. Einfluss auf unsere Entwicklung hat es nicht gehabt. Die
entsprechende Version von basICColor display 2 war inkl. L*-Kal. wie gesagt
längst im Verkauf.
Ich hoffe, dass damit die "historischen" Zusammenhänge zur Entstehung des
neuen Farbraumes bei Color Solutions abschließend und eindeutig dargestellt
und unglückliche Missverständnisse geklärt sind, damit wir uns nun weiter
gemeinsam der Umsetzung in der Praxis im Sinne der Anwender widmen können.
Viele Grüße,
Markus
_______________________________________________
Color Solutions Köln
Markus Hitzler
August-von-Willich-Str. 155
50827 Köln
Telefon: +49 (0)221 99 175 80
Fax: +49 (0)221 99 175 81
Mobil: +49 (0)171 8390333
Email: markus.hitzler(a)color-solutions.de
Web:
http://www.basICColor.de
_______________________________________________
basICColor - basICCs of COLOR
_______________________________________________
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Neues aus der Farbwelt:
DER basICCourier
www.basiccolor.de/basICCourier/basICCourier.htm
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Am 4/24/07 8:04 AM schrieb "Dietmar Wueller" unter <d.wueller(a)ivent.de>de>:
-----BEGIN PGP SIGNED MESSAGE-----
Hash: SHA1
Sehr geehrter Herr Hürten,
vielen Dank für Ihre Zustimmung zu der Entscheidung auf eciRGB_v2
umzusteigen und dieses in die Normung einzubringen.
Zur Klarstellung und zum besseren Verständnis noch ein paar Anmerkungen:
1) Wir haben selbstverständlich nicht ohne Grund den Namen eciRGB_v2
gewählt. Zum einen hängt das mit den Copyright Bedingungen von Lstar-RGB
zusammen. Lstar-RGB darf z.B. nicht ohne eine Genehmigung durch Color
Solutions einem Produkt wie einer RIP-Software oder einer Scan-Software
beigelegt werden, was wir uns für eciRGB_v2 sogar wünschen. Wir wollten
hier eine klare Trennung schaffen.
Darüber hinaus ist mit der Benennung eciRGB_v2 jedem klar, dass es sich
um ein "open source" "non profit" Projekt handelt, weil niemand in
der
ECI für das, was er tut Geld bekommt und alles, was die ECI hervorbringt
für alle frei (bzw. zum Selbstkostenpreis) verfügbar ist.
Zu einem kleinen Teil steckt natürlich auch dahinter, dass ein
standardisierter Arbeitsfarbraum, der eci im Namen Trägt auch ein
Zeichen der Früchte ist, die von der ECI hervorgebracht werden.
Das _v2 kennzeichnet nach meiner Ansicht deutlich die neue Variante. Es
verwechselt ja auch niemand Adobe Photoshop 5.0 mit Adobe Photoshop CS2.
2) Nun könnten Sie sagen und das haben Sie in Ihrer Mail schon getan,
dass eciRGB_v2 ein Werk von Color Solutions ist und die ECI sich hier
mit fremden Federn schmückt. Das ist aber nicht ganz richtig. Color
Solutions hat zwar Lstar-RGB kreiert und auf den Markt gebracht (und das
haben Sie gut getan) die Idee stammt aber nicht von Ihnen.
Bereits vor über 15 Jahren (nageln Sie mich bitte nicht auf den genauen
Zeitpunkt fest) hat Heidelberg bzw. damals glaube ich noch Linotype-Hell
einen L-Stern basierten Arbeitsfarbraum verwendet. Bloß war damals die
Zeit noch nicht reif, weil keine andere Anwendungssoftware etwas von
Farbmanagement verstand. Dann habe ich in einer der vielen Diskussionen
zum Monitor-Gamma auf der ECI-Mailingliste das Thema L-Stern als ideales
Luminanzverhalten in digitalen Bildern aufgebracht, als wir mit Markus
Hitzler von Color Solutions über das optimale Gamma diskutiert haben und
von seiner Seite noch 2,2 versus 2,4 angesprochen wurde.
Ich habe damals die anhängende Excel Tabelle mit dem Kommentar
geliefert, das L-Stern der optimale Verlauf wäre und dargestellt, wie
nah die verschiedenen Gammas an den L-Stern Verlauf heran kommen. Das
hat Color Solutions genommen und kurz darauf Lstar-RGB vorgestellt, was
sie ohne Zweifel in Ordnung geht. Für einen Ideenaustausch sind solche
Diskussionen in den Foren da und wenn Unternehmen diese Dinge aufgreifen
und daraus Lösungen entwickeln, dann ist das im Sinne aller Beteiligten.
3) Ein weiterer Punkt ist, dass zu einem standardisierten Farbraum mehr
gehört, als nur ein ICC Profil. Was vielen Anwendern nicht bewusst ist:
es müssen eine Reihe von weiteren Spezifikationen festgelegt werden, um
einen Farbraum eindeutig zu beschreiben. Das war für Lstar-RGB bisher
nicht der Fall (siehe Anhang, der in Kürze auch auf dem Server steht).
Insbesondere das Problem in der digitalen Fotografie hochkontrastige
Szenen auf den Wiedergabekontrast eines Monitors zu reduzieren stellt
ein markantes Problem dar, dem sich die meisten Kamerahersteller
(darunter auch Canon, Nikon hat mir dem D-Lighting zwar einen
Lösungsansatz aber...) noch immer nicht gewidmet haben (Stichwort:
Appearance models).
Das durfte ich gerade gestern wieder erfahren, als ich vom
Kommunionskind einer bekannten Familie in der schönen Frühlingssonne
Fotos machen sollte. Entweder ist das weiße Kleidchen ausgefressen, oder
das Gesicht zu dunkel. Ohne Nachbearbeitung (natürlich am besten auf
Rohdaten) gibt es hier kein vernünftiges Bild.
Zur Lösung dieser Probleme ist eine exakte Definition der
Ausgabebedingungen notwendig.
Daran und an dem Text für den Standard arbeiten wir, die ECI derzeit.
Ich wünsche mir auch, dass damit die aufgekeimte Diskussion, die ECI
hätte eine besondere Liaison mit einem Hersteller, von Tisch ist.
Wir arbeiten alle ehrenamtlich mit erheblichem Zeitaufwand und es geht
uns immer um die Sache und nicht um die Interessen einzelner oder eines
Unternehmens.
- --
Mit freundlichem Gruß
Dietmar Wueller
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Dietmar Wueller
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