Das Thema Graubalance ist heikel. Da reibt sich selbst der
verschlafenste Forum-leser aufgeregt die Augen.
Betreffend der ECI2002-Testform stimme ich zu. Da gibt es tatsächlich
nicht viel, was bei den der ISO 12647-2 zugrunde liegen
Druckbedingungen, insbesondere bei der ISOcoated 27L von Natur aus grau
wurde. Das ist aber nicht weiter besorgniserregend und muss natürlich
nicht generell so sein. So gibt es ebenso viele realistische
Druckbedingungen, bei denen ein Wert CMY 70/55/55 zu einen
wunderschönen Grau führt.
Das Thema UGRA/Fogra-Medienkeil ist da noch etwas verwirrender.
Erinnere ich mich da an die leichten Korrekturen der 3c-Werte der
Grauachse zwischen den Versionen v1.1 und v1.2. Viele Anwender
bemerkten dieses nicht einmal und führten etwaige Differenzen der
gemischt eingesetzten Keile z.B. auf Druckschwankungen oder
weggebrochene Lichter zurück.
Die sorgfältig abgestuften Werte wie CMY 80/70/68 ließen jedoch den
Schluss zu, dass man sich hier Gedanken gemacht hatte "... Gelb sollte
leicht unter Magenta liegen ...".
Welche Druckbedingungen wurden bei diesen CMY-Abstufungen
berücksichtigt? Die seinerzeit im Rahmen des Prozess-Standards der ISO
TC 130 verwendeten Profile, wie z.B. "Fogra_gloss.icc" zumindest
erzeugen in keinster Weise ein neutrales Grau. Vielleicht habe ich dort
ja etwas verpasst ;-).
Aber, wie wir alle wissen, ein guter Drucker konnte mit so beschaffenen
Grau-Balancen in der Regel gut umgehen.
Heute wird anders gedruckt - möchte man annehmen. Keineswegs. Schon zu
Zeiten der altbekannten Regel "Cyan über Gelb und Magenta" kannte man
das Color-Trapping, also das sich in Abhängigkeit der Druckreihenfolge
verändernde Farbannahmeverhalten. Getreu der Farbspaltungstheorie
verhält sich neu aufgetragene Farbe entsprechend der bereits zuvor
aufgetragenen Summe nasser Farbschichten sehr sensibel. Das dieses der
Realität entspricht ist deutlich. Jedoch, dass sich die Druckkennlinien
sehr stark unterscheiden, je nachdem, ob sie als Teil einer Primärfarbe
oder im Zusammendruck als Sekundärfarbe oder Tertiärfarbe ermittelt
werden, ist sehr stark abhängig von den Maschinen- und Druckparametern
und schwankt u.U. sehr heftig. Je später in der Druckreihenfolge
aufgetragen wird, umso weniger Farbe wird tatsächlich abgenommen. Da
sieht's für Magenta und vor allem für Gelb aufgrund der üblichen
Farbreihenfolge nicht gut aus. Da kann nur Grün entstehen, sollte man
meinen.
Genau das wurde innerhalb der neuesten ISO-Profile der 12647-2
berücksichtigt. Hier wurde, wie hier schon oft erwähnt wurde,
konsequent nass in nass gedruckt. Das ist Gut. Für den Drucker jedoch
bedeutet das wiederum, dass er seine Additive Trocknungsbeschleuniger
oder Verzögerer auch aus dem Regal zieht, wenn sein Druckbild keine
Farbannahmeprobleme zeigt - Grau ist es, Grün sollte die Balance meines
Medienkeils 2 aber gemäß Standard sein. Das Qualitätsziel schein vielen
dabei etwas verschoben zu sein.
Die Kompatibilität der iT87/3 und ECI2002 zum Medienkeil ist eine
sinnvolle Sache, da doch alle Patche des MK2 in diesen Testformen
auftauchen. Damit ist die Auswahl an Farbfeldern für den MK2 aber
begrenzt. Und, wie bereits von Thomas Richard beschrieben, ist dort für
"ISOcoated 27L" leider wenig graues drin.
Damit müssen wir leben. Denn es existiert ja nur ein MK2, der
unverändert für alle Druckbedingungen eingesetzt wird. Da liegt das
Problem. Graubalance ist nicht gleich Graubalance, wenn jede Ihre
eigene CMY-Zusammensetzung in Abhängigkeit von Umfang, Zuwachs,
Wegschlagverhalten, Verschwärzlichung u.s.w. hat.
Somit ist der Medienkeil in Puncto Graubalance nur bedingt sinnvoll, es
sei denn, man kann ihn jederzeit mit einer zuverlässigen Referenz
vergleichen.
Der gedruckte oder geproofte Graukeil sollte grünlich erscheinen. OK,
aber wie grünlich genau? Das ist die Frage, die uns alle immer wieder
beschäftigt.
Genau hier setzte SmartMediaStrip© als Kontrollkeil an, dessen
Graubalance und seine direkte Relation zum einzeln gedruckten Schwarz
eine eindeutige, absolute Aussage zum Zustand der Graubalance und
Tonwertzunahme ermöglicht. Warum? Er berücksichtigt konsequent die
jeweils gültigen Druckeigenschaften. Ein Profil - ein Keil.
Mehr dazu:
http://smartmediastrip.de
Im Bereich des Proofings stellt sich darüber hinaus noch ein weiteres,
hier heftig diskutiertes Problem.
All jenen Anwendern, die Proofing-Papiere ohne optische Aufheller
verwenden und dabei mit relativem Rendering Intent proofen (also
"punktfrei", d.h. ohne der entsprechend dem Profil definierten
Papierton-Simulation), macht der ursprünglich kalt-blaue Weisspunkt der
ISOcoated, ISOuncoated usw. die MK2-Messwerte kaputt. Sie verschenken
demnach wertvolle Punkte, da sie die Grauachse auf einem visuell
neutralen Papier wärmer einstellen. Das hat negativen Einfluss auf
beinahe alle Messwerte.
Anwender von Materialien mit Anteilen optischen Aufhellers, der dem
Original näher kommt haben da bessere Karten. Hier berücksichtigt
bereits das Papierprofil die messtechnisch kalt-blaue Tendenz des
Materials und kompensiert diese Problematik. Visuell erscheint das
Material unter D50 daher deutlich neutraler als es ein Messgerät ohne
UV-Filter sieht. Das Endergebnis kommt daher dem visuellen UND
messtechnischen Soll entgegen.
Sämtliche Charakterisierungsdaten der ISO/DIS 12647-2 und damit auch
die daraus entstandenen ICC-Profile beruhen auf Messungen mit
Spektralphotometern ohne UV-Filter. Hier liegt die Crux. Sie haben
verglichen mit der visuellen Wahrnehmung unter D50 messtechnisch eine
kalte Tendenz. Grund dafür ist der relativ starke Anteil optischer
Aufheller im verwendeten Auflagenpapier der Altona-Referenzdrucke.
Da das Spektrum der Glühlampe eines Spektralphotometers weit mehr als
das durchschnittliche Spektrum einer D50-Röhre auch im
UV-Wellenlängenbereich abstrahlt, reizt dieses Licht den
Fluoreszierenden optischen Aufheller, was dazu führt, dass vor allem im
Bereich der sichtbaren Frequenz um 440nm (kalt-blau) das Spektrum des
reflektierten Lichts mehr Energie aufweist als das Spektrum der
Lichtquelle bei 440nm abgibt.
Sprich: 100% wurde aufgestraht, 100 + x wurde reflektiert (jeweils
abzüglich der Absorption des Materials). Dieses ist ein eindeutiges
Indiz für Fluoreszenz und führt im Gegensatz zur visuellen Empfindung
bei der Abmusterung unter D50 zu einer relativ kalten Tendenz der
Charakterisierung (also der Referenzdaten).
Resultat: Ein messtechnisch optimal eigestelltes Proof der
Altona-Visual kann große Unterschiede zum Original aufweisen. Das
beobachten wir alle jeden Tag.
Als Lösung kommen daher eigentlich nur Proof- und Druckpapiere mit
optischen Aufhellern in Frage, die den jeweiligen Referenzdrucken
entsprechen, oder eine generelle Empfehlung zur Messung mit UV-Filtern
auf allen Ebenen in allen Bereichen. Ein UV-Filter, der im Strahlengang
eines Spektralphotometers zwischen Lichtquelle und Messprobe montiert
ist, eleminiert ja konsequent das Frequenzband im UV-Bereich.
Dann wäre jedes Material ungeachtet seiner fluoreszierenden
Eigenschaften verwendbar und uns bliebe das UV-Problem in Proof und
Druck erspart. Dann allerdings wäre die überwiegende Mehrheit aller
genutzten Referenz- und Papierprofile für die Tonne. Hoppla.
Ein, deutlich praktikabler Weg ist meines Erachtens im Hinblick auf die
Anwendung der ISO-12647-2 von 2004 eher der Kompromiss aus
messtechnischer und visueller Übereinstimmung des Druck- und
Proofresultats. Das das sehr gut funktioniert, sehen wir bei all den
digitalen Proofanpassungen und Druckresultaten, die in sehr engen
Toleranzen den entsprechenden Lab-Sollwerten bereits entsprechen. Hier
ist dann genügend Spielraum vorhanden, um damit die visuelle Anpassung
der Graubalance und insbesondere des Weisspunktes an die Referenzmuster
(wie Altona-Visual) zu erlauben ohne die maximal zulässigen
Abweichungen im Medienkeil reissen zu müssen.
Alles in Allem sind es also eher akademische Fragen, mit denen sich der
gemeine Anwender heue beschäftigen muss.
Der neue Prozess-Standard-Offset mit all seinen Profilen, Richtlinien
und Dokumentationen bietet jedoch mit leichten Einschränkungen endlich
eine einheitliche, solide Basis, auf der man sich nach anfänglicher
Gewöhnungsphase aber sehr Wohlfühlen wird.
Wir sehen also zunächst einen gewaltigen Richtungswechsel in Vorstufe
und Druck. Aus CMYK kommend biegen immer mehr in eine für viele
schlecht oder unlesbar beschilderte Seitenstrasse namens "Farbmetrik"
ein. Eines ist aber sicher: Die Richtung stimmt.
Viele Grüße
Christian
--
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On 30.06.2004, at 21:57, Thomas Richard wrote:
Hallo Herr Keller,
Mir ist schon klar, dass speziell diese Farbe ein ganz heikler Ton
ist.
Dieser CMY-Wert wird auch immer einen Farbstich besitzen.
Ob aber so massiv grünlich sein soll, ist eine andere Frage.
Welcher CMY-Wert dann für neutral einzusetzen wäre,
erscheint mir seltsam. ( z.B. C100M100Y85 ??? ).
Knöpft man sich mal die Werte aus dem ISOcoated Profil vor, zerrt sie
in Excel und sortiert das Ganze mal nach Cyan, anschließend nach
Magenta und zuletzt nach Gelb so wird man merken, das das ECI2002, dem
das ganze zu Grunde liegt, einfach keine Felder hat die einer
neutralen Grauachse entsprechen. Das bedeutetet unterm Strich, das
auch ein ECI2002 Target einem keinerlei vernünftige Messwerte für eine
Grauachse liefert.
Also ist auch das ganze Profil in diesen kritischen Bereichen
ausschliesslich gemittelt.
Hauptsächlich liegt es an der Graustufen unüblichen Staffelung der
Buntfarben von
30 - 40 - 55 - 70 - 85
da lässt sich ausser einem 40/30/30 eigentlich nichts herausholen:
283 40 30 30 0 67,16 -1,1 -2,12
der dunklere Rest ist mit 55/40/40 oder 70/55/55 bzw. 85/70/70 zu weit
vom Schuss, als überhaupt für solche Betrachtungen zu taugen.
Das ein Medienkeil mit definierten CMY Feldern aber nicht für alle
Druckverrfahren und Materialkombinationen überhaupt ein Neutralgrau
liefern kann, hatten wir hier ja auch schon zu Genüge.
Wenn man da eine optische Aussage treffen will, bzw. eine Kontrolle
haben möchte, muss man zum Medienkeil noch ein paar Felder mit
neutralem Aufbau des jeweiligen CMYK-Profils hinzustellen.
Oder, so der Workflow es denn zulässt, einen R=G=B oder L, a=b=0 Keil,
der dann dafür herangezogen werden kann.
MfG
Thomas Richard
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