Hallo Herr Stiller,
Im Prinzip war Ihr Kunde korrekt, denn er hat ihnen quasi die (Farb-)Temperatur genannt so
dass der "BiMetall-Schalter gerade" ist und Sie beide wissen, dass sie vom
gleichen reden.
(Wasser braucht auch nur 100 Grad zum Kochen auf Meereshoehe, gehen Sie mal auf eine
Skihuette in den Alpen, da braucht's nicht mal 90 Grad)
Wie dem auch sei, in unserer Industrie ist's 90% D50 und 10% D65. Sie brauchen also
nicht ab jetzt angstvoll vor Lab-Daten zurueckschrecken.
Die D65-Leute sind auch in erster Linie Verpacker oder Produkthersteller (denken Sie
Etiketten, Plastikflaschen, Schrumpffilm, ...) und die bleiben oft unter sich und haben
sehr genaue Spezifikationen in der Kommunikation von Farbe, manchmal bis hin zum zu
verwendenden Messgeraet und Messgeometrie.
Habe heute frueh auch schon eine Email von einem ehemaligen Heidelberg Colormanagement
Trainer erhalten, der schmunzelnd meine Email gelesen hat und sich jetzt wieder seiner
Muenzsammlung erinnert hat. Er hatte auch schon oefters mit dem Erklaeren von Lab und
Metamerie gekaempft und leider ist das arbeiten in einem Lab-Farbraum fuer viele schon
schwer vorstellbar (hilfreich: das Buch "Digitales Colormanagement" von
Jan-Peter Homann), aber wenn's dann zu Spektral oder Metamerie geht, hoert es bei den
meisten auf.
Das Muenz-Beispiel mag nicht perfekt sein, aber es stimmt mit dem Sachverhalt recht gut
ueberein. Vorschlaege fuer eine Alternative sind stets willkommen - ich liebe es,
Analogien zu verwenden, da es nicht nur hilft komplizierte Szenarien zu veranschaulichen,
sondern als Erklaerung auch wesentlich laenger im Gedaechtnis bleibt.
Noch eine Erweiterung zu unserer Muenz-Sammlung:
- UV-cut Filter eliminieren nicht nur UV-Wellenlaengen (also vermeiden, dass die
Faelscherbande "optische Aufheller" Muenzen aus Topf 0 (eine Wellenlaenge die
zwar nicht gemessen wird, aber dennoch von der Lichtquelle im Messgeraet im Spektralband
generert wird) in Topf 1 mogeln (und ein paar aus Topf 1 nach Topf 2)), sondern die
verpassen allen Muenzen einen "Sicherheitslack". Abhaengig von der Oberflaeche
jeder Muenze ist die Gewichtsveraenderung bei jeder Muenzensorte unterschiedlich. Dies
bedeutet, dass Messungen von ungefilterten und gefilterten Messgeraeten nicht 1:1
kompatibel sind, sondern sich im gesamten Spektrum unterscheiden koennen.
- wir haben in unserem Beispiel 32 Toepfe verwendet. Theoretisch gibt es natuerlich
beliebig viele ueber den gesamten Regenbogen der Lichtwellenlaengen - den gesamten? Nicht
ganz, weit oben im Norden liegt ein kleines gallisches Dorf ... - ups, bin ich wohl vom
Thema abgekommen, also nochmals: Nicht ganz, denn die Toepfe entsprechen den emittierten
Lichtwellenlaengen des verwendeten Leuchtmittels, normalerweise ein Gasgemisch in einer
Leuchtstoffroehre (vergessen Sie Neon, da ist noch jede Menge anderes drin) und diese
Lichtwellenlaengen kommen von den atomaren Resonanzschwingungen der Gasmolekuele. OK - das
war der langweilige Teil. Der interessante ist, dass eben nicht alles von Rom besetzt ist,
sondern einige Hinkelsteinwuerfe diverse Luecken hinterlassen haben. Entsprechend hat der
Regenbogen ein paar nicht leuchtende schwarze Balken (= Fraunhofersche Linien). Jedes
chemische Element hat sein eigenes Spektrum und um ein moeglichst kontinuierliches
Spektrum zu erhalten, sollten moeglichst wenige Fraunhoferschen Linien drin sein, was
bedeutet, dass die Zusammensetzung eines Leuchtmittels eine ziemlich gute Abstimmung
benoetigt. Daher kosten die Roehren fuer ihren Leuchttisch auch etwas mehr als die
aeusserlich gleich aussehenden aus dem Baumarkt. Anhand dieses natuerlichen Barcodes
koennen Astrophysiker zum Beispiel die Gaszusammensetzung eines Sternes identifizieren.
Fuer uns dagegen bedeutet dies, dass wenn Sie die falschen Lampen verwenden, Ihnen unter
Umstaenden gewisse Toepfe fehlen. Je mehr fehlen oder je unterschiedlicher die
"Muenzen" sind (also je schlechter die Leuchtmittelgase balanziert sind), desto
schwerer haben Sie es dann bei der Farbbeurteilung.
Dass Lichtquellen einen wesentlich staerkeren Einfluss haben als nur eine blau-rot
Verschiebung a la Photoshop, kann man auch wunderbar mit einem speziellen Leuchtkasten
demonstrieren.
Der US-Hersteller GTI hat einen "Color Rendition Demonstrator", Modell CRD-1
http://www.gtilite.com/color-rendition-demonstrators.htm
Bei diesem Modell handelt es sich um 3 separate Leuchtkaesten, welche nebeneinander in
einem Gehaeuse untergebracht sind. Diese sind daher auch nur knapp ueber A4 gross. Als
Lichtquellen kommen TL84 (Supermarktlicht), 6500K (Tageslicht) und Gluehbirnenlicht (ca
3200K) zum Einsatz. Auf der genannten webseite ist auch das Spektrum der Lampen
dargestellt und die Idee ist es, 3x den gleichen Druck oder das gleiche Objekt in die
Kaesten zu stellen und die unterschiedlichen Verhalten der Objekt- oder Druckfarben unter
den verschiedenen Lichtquellen zu beobachten. Das Resultat ist oft sehr ueberraschend,
weswegen ich dieses Modell fuer alle Betriebe empfehle, bei denen es um Farbgestaltung und
-kommunikation geht. Gerade Verpackungsdesigner sollten die Wirkung ihrer Produkte unter
den im Lebenszyklus einer Verpackung vorkommenden Lichtarten evaluieren. Dafuer sollten
dann aber groessere Einzelboxen mit schaltbaren Lichtquellen verwendet werden (oft auch
mit einer UV-Lampe, um unsere Muenzfaelscher aufzudecken). Diese 3er-Box dagegen ist eher
ein Lehrmittel, um Kunden darauf hinzuweisen, wie anders ihr Produkt unter einer anderen
Lichtquelle wirken kann - und wie sich diese Wirkung von der im Drucksaal unterscheiden
kann.
Es gibt auch eine deutsche Webseite, falls Sie mehr Infos von denen wollen:
http://www.gti-normlicht.de/
(dort hat es allerdings nicht die o.g. Spektrum-Grafiken).
Falls Sie mit denen in Kontakt treten, koennen Sie gerne meinen Namen nennen. Die Kollegen
der USA-Zentrale sowie der englischen Niederlassung kennen mich recht gut und freuen sich
immer, wenn ich ihnen Arbeit beschere.
Produktdatenblatt unter:
http://gti-normlicht.de/picture/upload/file/Datenblatt%20CRD.pdf
Nein, ich arbeite nicht fuer die und bekomme auch keine Kommission. Wenn es um einen
normalen Leuchtkasten geht, wuerde ich wahrscheinlich auch eher bei meinen schwaebischen
Landsleuten aus Weilheim anrufen, doch der CRD-1 bietet einen einzigartigen
Gegenueberstellunsgwert und kaum jemand kennt das Teil.
Das Bild im Datenblatt halte ich uebrigens fuer ziemlich schlecht, da es nur einen sehr
beschraenkten Farbraum hat. Die Roman16 Testbilder sind da wesentlich wertvoller - oder
ein Grainger-Streifen (eine Art Regenbogen).
Jetzt aber Wochenende ;)
Viele Gruesse aus Boston, USA
Juergen Roesch
GMG Americas
-----Original Message-----
From: eci-bounces(a)lists.callassoftware.com [mailto:eci-bounces@lists.callassoftware.com]
On Behalf Of Markus Stiller
Sent: Friday, September 02, 2011 4:17 AM
To: eci(a)lists.callassoftware.com
Subject: Re: [ECI] Verschiedene Lab-Farbräume?
Hallo Herr Richard,
Hallo Herr Frank,
Hallo Herr Rösch,
Vielen Dank für Ihre Antworten, diese haben mir sehr weitergeholfen und mich
in meiner Vermutung bestätigt.
Nachdem ich der Ursache beim Kunden weiter nachgegangen bin, konnte ich
nämlich genau das herausfinden: die Lichtequelle beim Einmessen soll D50
entsprechen, die Farbmuster also bei 5.000 Kelvin (Sonnenlicht) betrachtet
werden.
In diesem Fall habe ich dann darauf verzichtet dem Kunden zu erklären, dass
es nur einen Lab-Farbraum gibt und die Farbkoordinaten vom Licht abhängig
sind. Auch auf das Thema Metamerie bei unterschiedlichen Materialien habe
ich verzichtet und werde die Farbabstimmung entsprechend seiner Vorgabe
unter D50 machen.
@Herr Rösch, ihr Beispiel werde ich mir noch einmal in Ruhe zu Gemüte führen
um das Thema noch einmal besser zu verstehen. Das Grundlegende Beispiel mit
dem BiMetall-Schalter empfand ich sehr gut und leicht verständlich.
--
Viele Grüße aus Weinheim
Markus Stiller
P.S.: Kennen Sie schon die Druckqualität unserer HP Indigo?
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