Hallo Herr Flachsbart,
Die perzeptive
A2BO erzeugt auch schon als Quellprofil nichtlineare
Farbverschiebungen der CMYK-Daten, ähnlich wie die B2A0-Tabelle bei der
Separation.
Wenn ich mich recht entsinne hat PrintOpen ab Version 4.x ein Feature
namens "inverses Gamut Mapping", das bei perzeptiver Konvertierung vom
Device-Farbraum zum PCS versucht, die ursprünglichen PCS Farborte, die zu
den jeweiligen Device Farbwerten geführt haben, zu rekonstruieren.
Also quasi eine Expansion des Farbraums bei der rückwärts Transformation.
Ich denke mal, dass das von Ihnen beobachtete Verhalten daran liegt und
somit Absicht ist, oder?
Absicht ist das schon - der gute Wille ist durchaus zu erkennen. ;-)
Die tatsächliche Umsetzung ist in meinen Augen allerdings recht seltsam
geraten. Die Betonung lag nicht auf "Farbverschiebung", sondern auf
"nichtlineare".
Sorry, wenn's jetzt etwas länger wird, aber das Thema ist wirklich nicht
ganz trivial, wenn man es fachlich korrekt und eindeutig darstellen und mit
nachvollziehbaren Beispielen belegen möchte.
Reverve Gamut Mapping ist Stand der Technik und soll bei der Umseparation
verhindern, dass Tiefe und Sättigung verloren geht. Deshalb wird der
Farbumfang auf die komplette Luminanzachse skaliert und insgesamt etwas
"aufgeblasen". Wie das an der Außenhülle geschieht, ist in der 3D-Ansicht
des ColorSync-Dienstprogrammes sehr gut zu sehen, wenn man zwischen A2B0 und
A2B1 hin und her wechselt. Interessant ist dabei sowohl der Blick von Oben,
der die Veränderung von Chrominanz und Farbwinkel zeigt, als auch der Blick
von der Seite, in dem man die Behandlung der Bildtiefen gut erkennen kann.
Machen Sie das bitte einmal mit einem PrintOpen-Profil und im Vergleich mit
einem basICColor-Profil (zwei passende Kandidaten sind ja bekannt ;-) ).
Sie werden auf Anhieb sehen, was mit "nichtlinear" gemeint war:
Im PO-Profil wird die Form des Farbraumes in der A2B0 völlig verändert. Das
Ergebnis sind nichtlineare Farbverschiebungen, die nicht nur auf die
Farbraumhülle begrenzt sind, sondern sich durch den kompletten Farbraum
ziehen. Der Blick in den Innenraum des Farbkörpers ist etwas komplexer. Hier
sind Testbilder effizienter. Dazu weiter unten mehr.
Wenn wir schon bei der 3D-Ansicht sind: ein sehr interessantes Detail sind
in der Ansicht von oben auch die zwei Gelb-Spitzen in der A2B0. Zwei
maximale Gelbtöne unter verschiedenem Farbwinkel in einem Druckverfahren?
Auch ein spannendes Thema (praktische Auswirkung siehe
"Test_Out-of-Gamut_Farben-de.tif" auf
www.colormanagement.org).
Doch zurück zum Reverse Gamut Mapping. Dieses Designprinzip ist
grundsätzlich eine sehr gute Sache. Es birgt allerdings auch ein Risiko
(oder eine Marketing-Chance? - wer weiß): alle Fehler der perzeptiven
Separationstabelle (B2A0) finden sich so automatisch auch invers in der
perzeptiven "Quellprofiltabelle" (A2B0). Die nichtlinearen
Farbtonverschiebungen, die Herr König bei der Separation gefunden hat
(Grafik4, "gelbe Linie"), passieren also mit einem PO-Profil nicht nur bei
der Wandlung von glatten, fehlerfreien RGB-Daten in CMYK. Auch wer
konventionell komplett in CMYK arbeitet, bekommt (am Bildschirm vorher nicht
sichtbare) Farbverschiebungen, wenn die fertigen Daten perzeptiv z.B. In LFP
oder Digitaldruck ausgegeben werden. Da die Farbräume insbesondere im
Digitaldruck häufig kleiner sind, ist man dort oft auf den perzeptiven RI
angewiesen.
Wenn Sie es selbst ausprobieren möchten:
Unter
www.colormanagement.org finden Sie das Testbild "Quellprofiltest CMYK
5prozent.tif". Weisen Sie dem Bild einmal ein PO- , einmal ein basICColor
Profil zu. Sie müssen jetzt nicht drucken, um den Effekt zu sehen. Eine
Bildschirmsimulation ist ganz einfach möglich, wenn Sie dasselbe machen wie
Ihr RIP/Druckertreiber bei der Verbindung von Quell- und Zielprofil:
Konvertieren Sie perzeptiv nach LAB (das Druckerprofil bekommt auch nur die
Information, die das Quellprofil als LAB übermittelt). Wenn Sie die Vorschau
ein- und ausschalten, sehen Sie bei Verwendung des PO-Profils vor allem in
den Farbverläufen oben links, wie die Töne entlang der Diagonalen zwischen
gelb und schwarz abgedunkelt, der Rest aufgehellt wird. Dies ist der inverse
Effekt, den man bei der perzeptiven Separation mit dem PO-Profil beobachten
kann (Testbild: "Universal Verlaufstest.tif"). Das basICColor-Profil
produziert in beiden Richtungen glatte Verläufe und nimmt bei perzeptiver
Wandlung eine homogene Skalierung von Chrominanz und Luminanz vor. Grund für
das seltsame Verhalten des PO-Profils ist ein schräges Luminanz-Mapping in
der perzeptiven Tabelle. "Schräg" ist dabei im wörtlichen Sinne (bezogen auf
die Luminanz-Mappinglinien) gemeint, nicht im übertragenen Sinn - obwohl...
.
Meine Meinung:
wenn man etwas zweimal falsch macht (einmal vorwärts, einmal rückwärts),
wird es damit nicht automatisch richtig.
Im besten Fall werden die Fehler des ersten Schrittes etwas gemildert. Das
funktioniert aber nur, wenn derjenige, der den zweiten Schritt tut (konkret:
Digitaldruck/LFP), genau weiß, wie der erste Schritt erfolgt ist (konkret:
welcher RI bei der Separation der ursprünglichen RGB-Daten benutzt wurde).
Wissen Sie, wie externe Daten, die Sie bekommen separiert wurden? Das Profil
ist i.d.R. eingebettet - aber Informationen über den verwendeten RI?
In der Praxis wird das Ganze noch viel lustiger (oder verwirrender, je nach
Standpunkt des Betrachters):
Die Artefakte, die ein PO-Profil bei der perzeptiven Separation in CMYK
erzeugt, werden tatsächlich wieder etwas gemildert, wenn man auch wieder
perzeptiv druckt (oder umsepariert) - die A2B0 bügelt durch den inversen
Fehler zumindest teilweise wieder glatt, was die B2A0 angerichtet hat.
Soweit zumindst sehr beeindruckend! Zu sehen bekommt man diese Verbesserung
allerdings nur, wenn das Druckerprofil eine glatte perzeptive Tabelle hat -
also NICHT mit PrintOpen erstellt ist:
1. Separation: B2A0 von PO erzeugt Artefakte
2. Druck:
A2B0 von PO korrigiert, was die B2A0 an Artefakten erzeugt hat
=> alles wieder halbwegs glatt in LAB
glatte B2A0 des Druckprofils (anderer Hersteller)
=> Bild auch halbwegs glatt in CMYK/Druck
Ist hingegen auch das Druckerprofil mit PrintOpen gemacht, erzeugt bei
perzeptivem Druck die B2A0 des zweiten PO-Profils exakt wieder die
Artefakte, die die A2B0 des ersten Profils zu korrigieren versuchte:
1. Separation: B2A0 von PO erzeugt Artefakte
2. Druck:
A2B0 von PO korrigiert, was die B2A0 an Artefakten erzeugt hat
=> alles wieder halbwegs glatt in LAB
B2A0 des Druckprofils (PrintOpen) erzeugt wieder neue Artefakte
=> neue Artefakte in CMYK/Druck
Also ich find's einfach lustig. ;-)
Wem das Ganze jetzt zu theoretisch und unverständlich war:
Sie können das Verhalten ganz einfach ausprobieren.
"Koch"-Rezept:
1. Testbild "Universal Verlaufstest.tif" von
www.colormanagment.org laden
2. In Photoshop öffnen und in ISOcoated_v2_eci.icc perzeptiv konvertieren
=> Artefakte werden sichtbar
3. Nun ebenfalls perzeptiv in ISOcoated_v2_300_bas.ICC
(oder ISOcoated_v2_bas.ICC) umseparieren
=> Artefakte sind zum Teil wieder verschwunden
(BTW: absolut erstaunlich, dass ein Umseparation
einen Datensatz auch mal verbessern kann!!!)
4. Testbild wieder in Photoshop öffnen perzeptiv in ISOcoated_v2_eci.icc
konvertieren => die bekannten Artefakte erscheinen
5. Nun ebenfalls perzeptiv in ISOcoated_v2_300_eci.icc konvertieren
=> es erscheinen neue Artefakte, die den alten sehr ähnlich sind
Doch kommen wir zum Abschluss zu etwas wirklich Schrägem:
die Behandlung der Maximalschwärzen in der A2B0 von PO-Profilen. Nehmen Sie
bitte das Testbild "Colorful Night.tif", weisen ISOcoated_v2_eci.icc zu und
konvertieren Sie perzeptiv in ein beliebiges Profil (am einfachsten ein
"fehlerfreies" Profil wie LStar-RGB, ECI-RGB oder LAB). Sämtliche
Bildstrukturen des Fledermausbildes sind nach der Konvertierung
unwiederbringlich verschwunden. In den unteren Verlaufsfeldern sehen Sie,
welche Bereiche mit 90%/95%/100% Schwarz von der A2B0-Tabelle zeichnungslos
auf LAB 0/0/0 gemappt werden.
Machen Sie dasselbe Spielchen auf Basis von ISOcoated_v2_bas.ICC bleibt der
Bildinhalt selbstverständlich auch bei perzeptiver Wandlung erhalten.
Bitte entschuldigen Sie die vielleicht etwas langatmige Erklärung - das
Thema ist eben nicht einfach - und viel Spaß beim Nachvollziehen der
Beispiele.
Viele Grüße aus dem Farbraum,
Markus Hitzler
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Color Solutions Köln
Markus Hitzler
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