Hallo Jan-Peter,
meine Antworten ebenfalls im Text.
Dies sehe ich anders. Mit den Kalibrationsvorgaben
(und Profilen) sowie
der Kalibrationsstrategie des Herstellers steht und fällt die
Leistungsfähigkeit eines Proofsystems.
Es gibt eine Reihe von Herstellern, die unter Kalibration reine
Korrekturkurven in den einzelnen CMYK-Kanälen sehen.
Dies sind die Systeme, bei denen ich als Anwender in der Regel gewzungen
bin ein individuelles Profil zu erstellen, um messtechnisch und visuell
gute Ergebnisse zu bekommen.
Reden wir von Farbanpassungen oder von Kalibration und Profilierung nach
ICC-Standard? Proprietäre nicht ICC-Lösungen hatte ich bei meiner Überlegung
ausgelassen.
Bei den Systemherstellern gibt es unterschiedliche Ansätze für die
Kalibrations- und Profilierungsbasis.
Einige Hersteller geben konkrete Zielwerte vor, andere hingegen lassen einem
Anwender die Möglichkeit, das System in allen Bereichen voll anzusteuern
(auch wenn's nicht immer Sinn macht).
Zudem rutschen wir hier gerade in eine politische Richtung ab.
Unterschiedliche Hersteller haben unterschiedliche Philosophien, die sich
auch in den Produkten widerspiegeln.
Und die unterschiedlichen Anwendergruppen haben bezüglich der
Anwenderfreundlichkeit der Produkte auch unterschiedliche Vorlieben.
Ich für meinen Teil bin ein Freund der ICC-basierenden Systeme. Da weiß ich
i.d.R. wie das System arbeitet (Inklimits -> Linearisation -> Profil).
Geschlossene Systeme haben für mich meist immer irgendetwas mystisches, was
nicht mehr wirklich zeitgemäß ist.
Erinnert mich immer ein wenig an die guten, alten, geschlossenen
Workflow-Systeme á la Berthold oder Linotype aus den 80'er Jahren.
Für Spezialfälle mag das gelten. Wenn ich aber einen
ISO Standard auf
einem Hersteller-Medium in hocher Qualität darstellen will.
(messtechnisch und visuell), dann muss eine Proofsystem heutzutage mit
einer reinen Kalibration ein Top-Ergebnis bringen. Ansonsten hat der
Hersteller bei der Auswahl seiner Proofmedium, seinem
Kalibrationsassisten und seinen hinterlegten Profilen nicht seine
Hausaufgaben gemacht.
Klasse! Und dann nutzt du als Anwender ein anderes Messgerät (vielleicht
sogar mit UV-Cut) als der Hersteller bei der Kalibrations- und
Profilerstellung.
Wer ist dann Schuld, wenn du auf der Kalibrationsbasis des Herstellers kein
anständiges Ergebnis mit deinem Messgerät hinbekommst?
Und was soll man dann tun? Von Hand tunen (oder wie ich es nenne: pfuschen)
bis man das siehst, was man sehen will?
Auch hier bin ich bezüglich der Umsetzung von
ISO-Standards anderer
Meinung:
Wenn ein Hersteller Kalibrationsvorgaben, Profile und Proofmedien für
verschiedene Drucksysteme anbietet, dann sollten der Anwender durch eine
reine Kalibration auf den unterschiedlichen Systemen eine gute visuelle
Übereinstimmung erreichen.
Die Systemhersteller sind doch international tätig, oder irre ich hier?
Den Systemen beiliegenden Profile sind deshalb meist generisch und nicht
hinsichtlich eines bestimmten Standards optimiert.
Und ich bin auch der Meinung, dass hier der Kunde schon eine Optimierung auf
seinen Workflow selbst (oder über einen Dienstleister) vornehmen sollte.
Der Profileur, sollte beim Hersteller sitzen, um für
die Umsetzung von
ISO-Standards Top-Profile Out of the Box liefern.
Bezüglich einer Referenz-Kalibrierung und -Profilierung, aus denen man die
Eckwerte extrahieren kann, stimme ich dir hier zu.
Aber die Optimierung auf einen bestimmten Standard sollte sich der
Hersteller meiner Meinung nach verkneifen.
Tintenstrahl-Software-RIP's mit integriertem Color Management (oder wie wir
sagen: Proofsystem) kann man vielseitig einsetzen und sollten nicht nur
PSO-optimiert sein. Über den Tellerrand muss ja auch mal hinausgeblickt
werden.
PSO und FOGRA-Keil sind nicht immer das Maß aller Dinge in der digitalen
Welt der Tintenstahl-RIP's, sondern auch nur ein Anwendungsfall.
In Zweifelsfall ist es besser, wenn sich der
Hersteller auf ausgewählte
Farbdrucker und Proofmedien beschränkt und dem Anwender dafür sauber
erstellte Rerenzkalibration und Profile anbietet, die messtechnisch und
visuell auf allen angebotenen Kombinationen aus ISO-Standard,
Proofdrucker und Proofmedium auf den Punkt kommen.
Wenn weltweit der ISO-Standard mit den (deutschen) ISO-Profilen gültig wäre
und wir nur ganz wenige Anwendungsfälle für die RIP's hatten, dann würde ich
dir zustimmen. Aber ich sehe die Einsatzmöglichkeiten für diese RIPs etwas
umfassender.
Von mir aus darf auch mal ein exotisches Material auf nem Proofer verdruckt
werden, wenn der Kunde es wünscht.
Und mal davon abgesehen... was machen die Hersteller denn jetzt? Sie bieten
Profile auch nur für ausgesuchte Drucksysteme und Medien an!
Wenn ein Hersteller dies nicht leistet, dann ist der
Anwender entweder
gezwungen selber zum Colormanagement-Spezialisten zu werden, oder er
muss für teures Geld so jemanden einkaufen.
Ja und? Lebt davon nicht eine ganze Berufsgruppe?
Wenn Microsoft DAS Ein-Klick-und-alles-ist-gut-CMS in Windows einbaut, dann
können wir einpacken und umschulen.
Aber davon sind wir noch meilenweit entfernt und wir müssen nicht so schnell
umschulen.
Wenn ich ein Auto kaufen, dann erwarte ich das dies
problemlos fährt und
nicht das ich selber dran rumschrauben muss, oder ich direkt beim Kauf
eine Werkstatt beauftragen muss, die mir für die Hälfte des Kaufpreise
den Motor und das Getriebe abstimmt...
Richtig!
Doch um ein Auto zu fahren, musst du erst einmal einen Führerschein machen.
Der kostet auch einiges an Geld, ist zum Fahren eines Autos unverzichtlich
und nicht im Kaufpreis des Autos enthalten.
Kaufste dir nen dicken Schlitten, dann ist der Führerschein prozentual
betrachtet fast geschenkt. Beim Kleinwagen tut der Führerscheinanteil
natürlich deutlich mehr weh.
Zudem benötigt der Wagen auch nach dem Kauf und der ersten Inbetriebnahme
Wartungen in regelmäßigen Abständen.
Und alle zwei Jahre schaut sogar noch nen Profi nach, ob denn auch alles
seine Ordnung hat. Und das kostet auch Geld, ob man will oder nicht!
Und wenn es keine wartungsfreien Autos gibt, warum müssen dann Proofsysteme
wartungsfrei sein?
Wenn nen Auto klappert, kann man meist damit leben. Doch zieht nen
Proofsystem Streifen, dann haben wir gleich nen Weltuntergang.
Wochenendliche Grüße vom Niederrhein.
Tim Seher