Hallo Herr Kytzia,
ich möchte zunächst auf ihre beiden letzten Fragen aus Ihrer ersten E-Mail antworten,
sofern sich diese nicht bereits geklärt haben.
Ihre erste Frage:
- Warum ist der Gammawert sowie der Weißpunkt im Arbeitsfarbraum festgelegt? Wo sind hier
die Vorteile?
Sie müssen berücksichtigen, dass RGB ein additives Farbmodell ist und die Primärfarben
eines "Gerätes" (d.h. i.d.R. eines Bildschirms) farbmetrisch durch drei CIE XYZ
Tristimuluswerte beschrieben werden, die wiederum in der CIE-Normfarbtafel
("Schuhsohle") visualisiert werden können. Durch die drei Primärfarben wird
Dreieck aufgespannt, der Farbumfang des Gerätes. Innerhalb der Normfarbtafel existiert
eine lineare Beziehung, d.h. Sie können sehr einfach darin rechnen um eine bestimmte Farbe
aus den drei Primärfarben zu mischen.
Bei Bildschirm handelt es sich um Geräte mit einer nichtlinearen Wiedergabecharakteristik.
In der analogen Bildschirmtechnik konnte die Tonwertwiedergabe ganz allgemein mit Hilfe
einer Gammafunktion recht gut modelliert werden, was den analogen Schaltungen geschuldet
ist. Um eine lineare Wiedergabe zu erzeugen musste diese Charakteristik kompensiert
werden, die sogenannte Gammakorrektur.
Stellen Sie sich einen Monochrom-Bildschirm (z.B. Schwarz-Weiß) vor, um darauf einen
gleichmäßig abgestuften Verlauf (z.B. von Schwarz nach Weiß) darzustellen, müssen Sie
zunächst wissen welche Gammafunktion der Bildschirm ungefähr hat, d.h. Sie wissen wo die
Tonwerte gestaucht und wo sie gestreckt werden. Die Eingangssignale werden vor der
Wiedergabe mit der Umkehrfunktion der Gammafunktion verarbeitet und das Ergebnis ist
(theoretisch) eine lineare Wiedergabe.
Digital angesteuerte Bildschirm haben ebenso wie die analogen Geräte eine nichtlineare
Wiedergabecharakteristik, jedoch folgt diese nativ nicht unbedingt einer Gammafunktion.
Einige Hersteller, z.B. EIZO, sind in der Lage die Hardware mit Hilfe eine 10 Bit, 12 Bit
oder heute vielleicht sogar mit einer 16 Bit Look-Up Tabelle zu steuern. Damit kann dann
eine bestimmte Tonwertwiedergabefunktion programmiert werden. Das kann eine Gammafunktion
sein, aber auch die sRGB-Tonwertwiedergabefunktion (die nicht exakt einer Gammafunktion
von 2.2 folgt, aber dieser sehr ähnlich ist), oder auch die L*-Funkton.
Um jetzt auf einem RGB-Gerät einen bestimmten XYZ-Farbwert, der innerhalb des Dreiecks der
Primärfarben des Geräts liegt, zu erzeugen müssen Sie also wissen welche
Tonwertwiedergabecharakteristik das Gerät hat. Zusammen mit den XYZ-Werten der drei
Primärfarben können Sie dann mit einer 3x3-Matrix-Operation berechnen welchen RGB-Wert Sie
auf dem Gerät ansteuern müssen. Liegt der gewünschte XYZ-Farbwert außerhalb des Dreiecks
kann er nicht wiedergegeben werden.
Sie haben jetzt noch nach dem Weißpunkt gefragt. Der Weißpunkt gibt an welchen
XYZ-Farbwert das Gerät bei voller Ansteuerung aller drei Kanäle (R = G = B = 1.0)
wiedergibt. Diese Informationen ist vor allem dann notwendig, wenn Sie eine
Farbraumtransformation von CIE XYZ nach CIE L*a*b* ("Lab") durchführen möchten.
Lab benötigt ja immer einen Referenzweißpunkt, und das ist genau dieser.
Mit Hilfe der Strahlungsfunktion eines Plank'schen Strahlers kann man aus der
Temperatur (in Kelvin) eine Emissionskurve im sichtbaren Spektrum erstellen, z.B. das
Spektrum bei 5003 Kelvin. Der XYZ-Farbwert dieses Spektrums entspricht ungefähr dem
XYZ-Farbwert des Spektrum der CIE Normlichtart D50. Wenn man auf diese Weise den Weißpunkt
angibt spricht man üblicherweise von der korrelierten Farbtemperatur (CCT = correlated
color temperature).
Der Lab-Profile Connection Space (PCS) in der ICC-Welt basiert standardmäßig auf der
Normlichtart D50 als Referenzweiß (PCS Illuminant) und dem CIE 1931 Standardbeobachter,
d.h. 2 Grad.
Wenn ein Gerät jetzt aber einen anderen Weißpunkt besitzt, also z.B. nach CIE Normlichtart
D65 (CCT ~6500 K), dann wird eine chromatische Adaption durchgeführt, wenn man eine Farbe
dieses Bildschirms möglichst exakt auf einem Gerät wiedergeben möchte, das einen anderen
Weißpunkt besitzt, ansonsten kommt es zu einer Farbverfälschung. Dasselbe gilt natürlich
immer dann, wenn man von diesem Gerät in den ICC PCS umwandelt.
Die chromatische Adaption ist ein Thema für sich, ich möchte hier nur kurz erwähnen, dass
es unterschiedliche Methoden gibt die jeweils einen unterschiedlich großen Fehler bei der
Adaption erzeugen. Das ICC empfiehlt die Bradford-Methode (benannt nach der englischen
Stadt Bradford).
Ihre zweite Frage:
- Wo sind die Vorteile für eine lineare Beziehung der Primärfarben und für eine
Gleichabständigkeit eines Arbeitsfarbraumes?
Ich bin mir nicht ganz sicher, was Sie mit "lineare Beziehung" meinen. Aus Ihrer
zweiten E-Mail vermute ich aber, dass Sie meinen, dass gleichgroße Anteile der drei
Primärfarben ein (neutrales) Grau ergeben. Also z.B. R = G = B = 0.5 -> mittleres
neutrales Grau, richtig? Unter der Annahme, dass der menschliche Beobachter eine
vollständige chromatische Adaption auf den Weißpunkts des Geräts vollzogen hat wird dies
immer der Fall sein.
Wenn ein solcher RGB-Wert mit dem Weißpunkt des Geräts in einen Lab-Farbraum mit demselben
Weißpunkt umgerechnet wurde, dann ist dies ebenfalls der Fall. Dazu dient schließlich das
Referenzweiß.
Bezüglich der (visuellen) Gleichabständigkeit gilt natürlich, dass die Normfarbtafel
(Schuhsohle) die bekannten Einschränkungen mit sich bringt, die schon MacAdam (nicht:
MacAdams) gefunden hatte. Jeder darauf basierende Arbeitsfarbraum wird unweigerlich
dieselben Schwächen hinsichtlich einer visuellen Gleichabständigkeit aufweisen.
Noch ein paar Hinweise von meiner Seite:
Wenn Sie sich einen eigenen Arbeitsfarbraum erstellen möchten, dann müssen Sie sich auf
eine Kombination aus Tonwertwiedergabefunktion (nicht zwingenderweise eine Gammafunktion),
Primärfarben und Weißpunkt festlegen. Die eierlegende Wollmilchsau wird es ohne ein im
Hintergrund aktives Color Appearance Modell sicher nicht geben. Aber damit wären wir dann
bei einem völlig anderen Thema...
Chromatische Adaption:
Wenn Sie ein matrixbasiertes ICC-Profil als Arbeitsfarbraum erstellen, das einem anderen
Weißpunkt als den des ICC-PCS besitzt, dann sollten Sie zusätzlich ein chad-Tag einbauen,
das der CMM die chromatische Adaption von "Ihrem" Weißpunkt in den des ICC-PCS
erlaubt. Die Adobe CMM ist meiner Meinung nach seit einigen Jahren in der Lage die
Adaption selbst vorzunehmen, also auch ohne vorhandenes chad-Tag. Die Apple CMM kann das
meines Wissens nach nicht, bzw. nur, wenn das chad-Tag vorhanden ist.
Gammafunktion:
In ICC-Profilen können Sie eine 2D-LUT mit einer bestimmten Bittiefe (z.B. 12 Bit = 4096
Tonwertstufen) dazu verwenden um eine beliebige Tonwertwiedergabefunktio zu erzielen, also
nicht nur eine Gammafunktion. Damit können Sie dann z.B. die sRGB-Tonwertwiedergabe oder
die L*-Funktion berechnen und implementieren.
Das ICC erlaubt in ICC-v4-Profilen neben einer 2D-LUT oder der Angabe eines Exponenten für
die Gammafunktion auch Funktionen mit mehreren Parametern. Das eciRGBv2-Profil in
ICC-Version v4 enthält z.B. die L*-Funktion als Parameterfunktion. Mit Hilfe einer solchen
Funktion ist die CMM dann nicht mehr auf die diskreten Werte der 2D-LUT angewiesen und es
kann in bestimmten Fällen eine bessere Genauigkeit erzielt werden.
Zu Ihren Screenshots mit den Gamutvergleichen:
So weit ich es erkennen kann, haben Sie das hier viel gepriesene Programm ColorThink für
den Vergleich verwendet. Das Programm ist sicherlich sehr gut geeignet für den allgemeinen
Vergleich. ColorThink benutzt meiner Meinung nach als Lab-Farbraum, in dem die Gamuts
dargestellt werden, immer der ICC PCS ist, also D50 2°. Ich glaube jedoch, dass dort keine
chromatische Adaption durchgeführt wird. Wenn Sie sich die die Farbe des Medienweiß
(Spitze des Gamuts) von Profilen mit unterschiedlichem Weißpunkt, z.B. von sRGB und
eciRGBv2, mit der Einstellung "Abs. Colorimetric" (statt "device
gamut") ansehen, dann stellen Sie fest, dass diese nicht identisch sind. Wird die
Adaption aber durchgeführt dann sollten sie identisch sein und sich die Gamutkörper
entsprechend verschieben. Es lohnt sich sicher, das bei Chromix in Erfahrung zu bringen.
Untersuchte Geräte-Gamuts:
Hatten Sie bei Ihrer Gamut-Untersuchung verschiedener Smartphones das Gerät in einen
nativen Wiedergabemodus zu versetzen? Ich würde nämlich davon ausgehen, dass die
Hersteller Ihre Geräte von der Wiedergabe her "verbiegen". Apple hat wohl lange
Zeit die iPhones auf sRGB getrimmt, obwohl die Displays sehr viel mehr ermöglichen
dürften. Des weiteren hat Apple in der Vergangenheit ab und zu schon mal den
Standardweißpunkt von Displays bestimmter Hersteller oder Serien angepasst um
Produktionsschwankungen bei der Fertigung auszugleichen. Ganz allgemein darf man bei
digital angesteuerten Bildschirmen nicht davon ausgehen, dass man die "Wahrheit"
sieht. ich stelle mir eher vor, dass die Hersteller mit Hilfe von mehrdimensionalen LUTs
eine Art perzeptive Anpassung der dargestellten Inhalte durchführen, also z.B. wird
angenommen dass alle RGB-Daten in sRGB vorliegen und dann wird "hartverdrahtet
perzeptiv" in den nativen Farbraum des Displays transformiert, wenn dieser deutlich
größer ist. Aber vielleicht haben Sie hierzu ja auch schon Untersuchungen vorliegen.
PRMG:
Der PRMG wurde unter der Annahme geschaffen, dass dieser dem Farbumfang eines bestimmten
"Preceptual Reference Medium" (PRM) unter den SO 3664:2000
Standardbeobachtungsbdingungen "P2", d.h. mit einer ähnlichen Lichtart wie D50
und bei 500lx (hierzu gibt es auf der Seite des ICC ein Whitepaper, meine ich). Das ist
eine enorme Einschränkungen und funktioniert sicher auch nur, weil sich die Druckindustrie
so sehr auf D50 festgelegt hat.
Ich habe die Befürchtung, dass sich in der Welt der mobilen Endgeräte eine solche starke
Einschränkungen zur Festlegung eines neuen Standardfarbraums nur schwerlich machen lässt.
Es gibt bereits sRGB und damit sind sicherlich viele immer noch zufrieden.
So weit ich mich erinnere gab es vor etlichen Monaten mal eine ähnliche Diskussion zu sRGB
und mobilen Geräten auf der ColorSync-Mailingliste von Apple. Da hatte unter anderem
Thomas Lianza (Co-Chair des ICC, damals noch bei X-Rite) einiges zu geschrieben.
Durchforsten Sie einfach mal die Archive auf der Apple-Mailinglisten-Seite.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Gruppe viel Erfolg bei dem Projekt. Sofern möglich, halten Sie
uns doch über Ihre weiteren Ergebnisse bitte auf dem Laufenden.
Viel Grüße (auch an Professor Brües!)
Claudio Wilmanns
On 25.04.2014, at 18:37, Martin Kytzia <m.kytzia(a)uni-wuppertal.de> wrote:
Also ich kann dazu soviel sagen, dass es wirklich so
ist, dass die Farbräume von aktuellen mobilen Geräten größer als der eciRGB_v2 sind. Bei
uns an der Uni wurden dazu mehret Projekte und Thesen dazu verfasst, eine unter anderem
von mir. In allen diesen kam man zum selben Ergebnis. Und Wir befinden uns im Master, so
dass man davon ausgehen kann, dass wir wissen, wie man ein Gerät bzw. Display
vermisst/ausmisst und ein Farbprofil erstellt (von wegen Weißpunkt adaptieren).
Natürlich wurden hierzu auch visuelle Bewertungen vorgenommen und diese haben die oben
genannten Ergebnisse bestätigt.
Jetzt zu der Eingangsfrage, wie erstelle ich so einen Workingspace, gibt es nur die
Methode in Photoshop?
Grüße
Martin
Von: Thomas Richard <trichard(a)richard-ebv.de>
Antworten an: <eci(a)lists.callassoftware.com>
Datum: Freitag, 25. April 2014 17:27
An: <eci(a)lists.callassoftware.com>
Betreff: Re: [ECI] Erstellung eines eigenen Arbeitsfarbraumes ", welcher die
Farbräume mobiler Endgeräte einschlie" ßt
Hallo,
Thanks, i already profiled mobile devices and
compered it with the eciRGB_v2 (see screenshot)
Green: Samsung Galaxy S5
Blue: Tablet Sony Xepria Z2
Red: eciRGB_v2
I have tested much more mobile devices and the results look the same like with these two
devices. So i think a new workingspace would be necessary because of new display
technologies like AMOLED etc.
Nicht, dass ich bezweifeln würde, dass AMOLED Displays den ECI RGB überschreiten, aber
ich würde da erstmal rein optisch auf Plausibilität testen. Vermutlich erledigt sich ein
Teil der Übergrößen, wenn man die Weißpunkte sinnvoll adaptiert.
Auch die Bilder von Herve Lyaudet erscheinen mir nicht plausibel. Da lappen angeblich
riesige Bereiche des sRGB aus ECI-RGB heraus!?
Daher würde ich den Visualisierern auf den Zahn fühlen.
M.E. liefert nur Colorthink halbwegs nachvollziehbare Visualisierungen.
MfG
Thomas Richard
>
>
> Von: Dieter Dolezal <ddolezal(a)hirte.de>
> Antworten an: <eci(a)lists.callassoftware.com>
> Datum: Freitag, 25. April 2014 14:33
> An: <eci(a)lists.callassoftware.com>
> Betreff: Re: [ECI] Erstellung eines eigenen Arbeitsfarbraumes, welcher die Farbräume
mobiler Endgeräte einschließt
>
> Hello Martin,
>
> I was not aware that eciRGB_v2 does not contain the colorspaces of mobile devices -
perhaps it would be an interesting approach to first identify where the mobile device
Color spaces gamut does exceed the gamut of eciRGB_V2 before trying to reinvent the
wheel..
>
> Regards,
>
> Dieter
>
>
>
> Am 25.04.2014 um 13:24 schrieb Martin Kytzia <m.kytzia(a)uni-wuppertal.de>de>:
>
>>> Hallo an Alle,
>>>
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>>> Ich bin Student an der BU Wuppertal und versuche im Rahmen eines
Projekts/Spezialieserung in unserem Studiengang Druck- und Medientechnologie bei Herrn
Prof. Dr. Stefan Brües einen eigene Arbeitsfarbraum zu erstellen. Hierzu habe ich einige
Fragen, welche mir hoffentlich jemand der sich mit dieser Materie auskennt beantworten
kann.
>>>
>>> Zunächst die Frage, wie erstelle ich überhaupt einen Arbeitsfarbraum, welche
Software/Programme benötige ich und wie gehe ich in dieser Hinsicht am besten vor. Meine
Idee war es nach dem Prinzip des PRMG" zu verfahren, und den größten gemeinsamen
Nenner an Farbräumen mobiler Endgeräte ausfindig zu machen und auf dieser Grundlage den
Arbeitsfarbraum zu erstellen. Ebenfalls möchte ich wissen, wie ich eine lineare Beziehung
zwischen den Primärfarben hinbekomme, so dass bei gleichen Farbwerten der Primärfarben,
ein neutrales Grau entsteht? Zusätzlich soll der Arbeitsfarbraum gleichabständig sein, wie
gelingt mir dies?
>>>
>>>
>>> Eventuell kann mir auch jemand Antworten auf folgende Fragen geben:
>>>
>>> - Warum ist der Gammawert sowie der Weißpunkt im Arbeitsfarbraum festgelegt?
Wo sind hier die Vorteile?
>>> - Wo sind die Vorteile für eine lineare Beziehung der Primärfarben und für
eine Gleichabständigkeit eines Arbeitsfarbraumes?
>>>
>>>
>>> Über Rückmeldungen freue ich mich sehr und hoffe ihr könnt mir in der
Hinsicht weiterhelfen.
>>>
>>> Vielen Dank im Vorraus,
>>>
>>> Martin Kytzia