Hallo Herr Drechsler,
da sich wieder einmal kein anderer Drucker bequemt, zu antworten, will ich
'mal nicht so sein und meinen Feierabend ein wenig vertagen... ;-)
Eines vorweg: In Ihrer ersten Mail beschrieben Sie die Kette aus Daten=50%,
Platte=50%, Druck=58%. Dies wird in den seltensten Fällen so sein, da eine
lineare Plattenbelichtung höchstens zufällig der richtige Weg ist, die
gewünschte Tonwertzunahme im Druck zu erreichen. Die lineare Belichtung war
in der Film-Ära üblich. Hier hatte der Film idealer Weise die gleiche
Deckung, wie in den Daten vorgegeben. Bei der Belichtung der Platte
(positiv) kam es durch eine Unterstrahlung zu einer geringeren Deckung als
in den Daten. Durch den Druck auf geeignetem Material konnte man dann die im
(schon damals vorhandenen) ProzessStandard Offsetdruck (PSO) vordefinierten
erhöhten Zunahmen erreichen. - Oder halt das, was bei aktueller
Maschinenkonfiguration oder Bedruckstoff-Beschaffenheit bzw. Eigenschaften
der Druckfarben und des Klimas gottgegeben dabei herauskam.
So viel zu Historie, die prinzipiell immer noch Basis der Standardisierung
ist. Damals halt noch mit der Angabe von Dichte und Tonwertzunahme als
Richtschnur.
Über die aktuelle Situation ist von den Kollegen 'Nichtdruckern' schon sehr
viel richtiges gesagt worden und vielleicht zu Ihrem Erstaunen nichts,
wogegen ich als Vertreter der Drucker-Zunft opponieren müsste. Der
MedienStandard Druck 2004 (MSD) und der PSO 2005 sind die Grundlagen auf
denen eine fruchtbare Zusammenarbeit von Lithopartner und Druckerei
funktionieren kann. Die prinzipielle Richtung hat Herr Fröbel in seinem
Beitrag gut dargestellt.
'Kann' aber deshalb, weil einige der 'historischen' Einflüsse auf die TWZ
auch im Zeitalter von CtP echte Störfaktoren sind und ihrer Bezeichnung
leider immer wieder gerecht werden. Die am Markt verfügbaren Bedruckstoffe
lassen sich leider nicht eindeutig in die 5 FOGRA-Papiertypen pressen und
verhalten sich leider auch nicht zwingend entsprechend Ihrem Typ bzw.
gleich, selbst wenn Sie unstrittig zugeordnet werden können. Es kommt vor,
dass sich zwei in Typ, Aussehen, Strich und Haptik nahezu identische Papiere
im Druck unter sonst gleichen Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich
verhalten, sprich unterschiedliche Tonwertzunahmen erzeugen. Das ist so
lange OK, wie die Toleranzen des PSO eingehalten werden können bzw. der
Kunde die dadurch z.T. nicht unerheblichen farblichen Differenzen von der
Referenz bzw. vom Soll akzeptiert.
Schafft man sich als Druckerei mittels eines Referenzpapiers also eine
individuelle Prozesskalibrierung um mit der resultierenden RIP-Transferkurve
die Platte so zu belichten (meist eine hängende Kurve um die 'historischen'
Unterstrahlung von Film auf Platte zu erreichen), dass im standardisierten
Druck dann die Sollwerte des PSO perfekt getroffen werden, wird dies kaum
auf allen Bedruckstoffen des gleich FOGRA-Typs klappen. Zum Teil variiert
aus chemischen Gründen das Verhalten bzw. die TWZ von nur einer
Prozessfarbe. Dies ist ohne eine individuelle Behandlung, sei es durch eine
spezielle (ICC-) Profilierung oder Transferkurven-Inflation unter
entsprechendem Zeit- und Kostenaufwand, nicht zu lösen.
Variierende Chargen von Farbe und Papier sowie das wechselnde Klima als
Haupt-Störfaktoren und die aktuell noch vorhandenen Diskrepanzen zwischen
ISO und FOGRA27L (Ist das nicht in Änderung ?!?) tragen Ihr Übriges dazu
bei, dass nicht immer dasselbe herauskommt, wenn man das gleiche tut. That's
Offsetdruck.
Deshalb aber gleich wieder in die individuelle Alchemie der 80er und 90er zu
verfallen oder die Standards als 'graue Theorie' abzutun ist sicherlich der
völlig falsche Weg. Ich persönlich bin trotz aller Einschränkungen froh dass
es PSO, ISO, eci und MSD gibt. Denn damit ist die Richtung, in die es geht,
klar und für alle gleich und eindeutig definiert. Für unser Unternehmen kann
ich sagen, dass wir heute so gut und reproduzierbar wie noch nie drucken.
Daran hat die Einführung der Standardisierung mittels PSO einen erheblichen
Einfluss. - Und wenn es nur der Umstand ist, dass wir durch den Umgang mit
den Standards eine Menge über die gesamte Materie Druck, gemeint ist dabei
alles vom Drehen der Bits und Bytes bis zum 'schmutzigen' Papier, gelernt
haben und dieses Wissen nun gewinnbringend für unsere Kunden und nicht
zuletzt uns selbst einsetzen können. Dafür muss auf der Lernkurve durchaus
die eine Stunde und der andere Euro investiert werden. Aber es lohnt sich,
wenn man es durchhält.
Wenn es dann aus irgendwelchen Umständen einmal nicht nach Standard laufen
kann, muss halt gemeinsam mit dem Lithopartner eine Lösung für den
gemeinsamen Kunden erarbeitet werden. Dies ist umso einfacher, wenn die
Basis der Diskussion dann die Gleiche ist.
Lithographie in der Druckmaschine darf genauso wenig die Lösung sein, wie
das übermäßige verdrehen von Daten wegen einer stark mangelhaften
Prozesskalibration in der Druckerei, wie Herr Drümmer zurecht darstellt.
Muss doch an der Maschine etwas nachgebessert werden, helfen identisch nach
MSD aufbereitete Daten für einen Job, damit bei einer Variation der
Schichtdicke aufgrund verschiedener Schwarzaufbauten nicht ein scheinbar
gleicher Farbton in verschiedenen Seiten komplett anders reagiert.
Die von Ihnen vermuteten Differenzen bei der Messtechnik sind tatsächlich
ein Problem. Derselbe Messpunkt mit Geräten verschiedener Hersteller oder
auch nur verschiedener Serien des gleichen Herstellers gemessen, können
deutlich abweichen. Dies hat mit Ihrer eigentlichen Frage aber nur am Rande
etwas zu tun, da bei der Prozesskalibrierung (hoffentlich) kein
Messgeräte-Hopping vorherrscht, man also Äppel mit Äppel vergleicht. Ist der
Prozess dann halbwegs stabil in der Nähe des Soll (so extrem sind die
Differenzen dann auch wieder nicht), ist das schon die halbe Miete. Nur beim
Austausch von Messwerten nach außen muss einem dieser Umstand halt bewusst
sein, um Abweichungen entsprechend zu bewerten.
Ich bin schon sehr gespannt, was es auf dem Digitalproof-Forum in Stuttgart
zu diesem Thema neues gibt...
Abschließend möchte ich mich der Meinung von Herrn Rossbach anschließen,
dass der MSD immer weiter Verbreitung findet. Die Beratungsresistenten auf
allen Seiten werden nach meiner Beobachtung überraschender Weise tatsächlich
weniger. Zusätzlich gibt es auch immer Abstufungen der nötigen Genauigkeit
bzw. bei der Ausnutzung von Toleranzen, da Qualität immer das ist, was sich
der einzelne Kunde gerade wünscht. Ebenso unterschiedlich können trotz
Standardisierung dann die Lösungen aussehen.
Sicherlich ist vieles in der Standardisierung graue Theorie, einiges
vielleicht sogar Vision. Ich denke aber nicht, dass Leute mit Visionen zum
Arzt gehen müssen, wie es ein Ex-Kanzler aus dem Norden einmal propagiert
hat, sondern vielleicht sollten die Visionäre einfach gemeinsam daran
arbeiten, um aus der grauen Theorie bunte (oder farbverbindliche !?!) Praxis
zu machen, wie es hier in der Liste gelebt wird.
Viele Grüße aus der Heide,
und vielen Dank an alle, die jetzt tatsächlich noch mitlesen... ;-)
T. Fronia
Tobias Fronia
Leitung PrePress, Dipl.-Ing.
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mailto:t.fronia@neef-stumme.de <mailto:t.fronia@neef-stumme.de>
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: mario.drechsler(a)highend-media.de
[mailto:mario.drechsler@highend-media.de]
Gesendet: Montag, 22. August 2005 17:30
An: eci(a)lists.transmedia.de
Betreff: [ECI] Nochmal ... Farbmessung vom Druck
Guten Tag und vielen Dank für die raschen Antworten.
Aber: Viel Literatur über viele Standards.
Wie siehts am Ende der Kette in der Praxis aus?
Kann sich eine Druckerei problemlos Standardisieren?
Wie verbreitet ist denn der neue Medienstandard?
Sowohl in Druckvorstufe als auch in Druckereien.
Ich werde in Druckereien (und zwar vom Drucker, nicht vom Aussendienstler!)
oft mit dem Argument "alles nur Theorie" konfrontiert.
Wie sieht es denn flächendeckend mit dem Fortschritt des Medienstandards
aus?
Wie viele Vorstufenbetriebe arbeiten damit?
Wie viele Druckereien können das umsetzten?
Viele Grüße
Mario Drechsler
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