Hallo alle zusammen,
in dieser E-Mail möchte ich einige Einschätzungen und Neuigkeiten zur
offenen Farbkommunikation mit Sonderfarben teilen.
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Wer sich für das Thema nicht interessiert, braucht diese etwas längere
E-Mail nicht weiter zu lesen ...
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Die letzten 50 Jahre: Lizenzgebundene Sonderfarbkollektionen
Seit einigen Jahrzehnten werden Sonderfarben über
Farbkollektionen/Farbbibliotheken kommuniziert. Die Anbieter von
Farbkollektionen verkaufen sowohl physische Muster ihrer jeweiligen
Farbkollektion und lizenzieren die dazugehörigen Farbdaten (Lab oder
spektral) an Softwareanbieter. Nur dann, wenn in der Produktionskette
vom Design über die Zwischenschritte bis zum fertigen Produkt in allen
beteiligten Softwares die jeweilige Farbkollektion lizenziert ist, kann
die Farbe eindeutig kommuniziert werden.
CMYK-Prozessfarben: Offene Standards seit 15 Jahren
Bei der Kommunikation von Farbe für CMYK-basierte Druckprozesse (sei es
in Bildern oder Grafiken) haben sich offene Datenstandards seit vielen
Jahren durchgesetzt. Wenn jemand versuchen würde, z.B. den Farbton C80
M60 Y0 K20 für FOGRA39/ISOcoatedv2 als lizenzgebundene Farbe zu
verkaufen, hätte dies wenig Aussicht auf Erfolg. Schließlich kann jeder
diese Farbe in seinem Programm selbst anlegen und bei Bedarf über ein
Proof-System auch als physisches Muster verbindlich reproduzieren.
Offene Standards für die Sonderfarben
Im Bereich der Sonderfarben sind wir heute technologisch so weit,
Sonderfarben direkt zu spezifizieren, auf einem Proof als physisches
Muster auszugeben und ohne Lizenzkosten zu kommunizieren. Für die
Rezeptierung und Herstellung von Druckfarben ist es hilfreich,
Spektraldaten im CxF-Format bereit zu stellen, da Rezepte für
Farbmischanlagen am besten über Spektraldaten berechnet werden können.
Spektraldaten, die das physische Muster (Proof) repräsentieren, lassen
sich einfach erstellen, indem das Proofergebnis mit einem
Spektralfotometer eingemessen wird
Die Vorgehensweise, ein physisches Farbmuster spektral einzumessen und
daraus ein Farbrezept zu berechnen, findet sich neben Druckfarben z.B.
auch in der Farben- und Lackindustrie oder der Kunststoffindustrie.
Das Trio aus Lab-Wert, geprooftem physischen Muster und dazugehörigen
Spektraldaten ist daher ein guter Startpunkt, Sonderfarben
prozessunabhängig zu definieren. Diese im Verpackungsdruck als
"Master-Standard" bezeichnete Referenz einer Sonderfarbe kann in der
grafischen Industrie als Vorgabe für verschiedene
Druckverfahren/Substrate dienen oder auch als Vorlage in anderen
industriellen Sektoren. Hierbei ist zu zu beachten, dass der
Master-Standard einer Sonderfarbe evtl. nicht in jedem
Druckverfahren/Substrat bzw. einem anderen industriellen Prozess zu 100%
reproduziert werden kann. Die bestmögliche Annäherung an den
Master-Standard ist dann ein Dependent Standard. Auch dieser kann
wiederum als CxF-Datei und Proof oder als Muster des finalen
Produktions-Prozesses kommuniziert werden.
Referenz-Implementation HLC Colour Atlas
Der Verein freieFarbe e.V. stellt zu der oben beschriebenen
Vorgehensweise eine Referenzimplementation zur Verfügung:
https://www.freiefarbe.de/thema-farbe/hlc-colour-atlas/
Der HLC Colour Atlas zeigt 2040 CIELAB-Farben nach Hue, Lightnessund
Chroma geordnet. Die digitalen Tools des Atlas stehen unter einer
Creative-Commons-Lizenz zum Download zur Verfügung, die auch eine
Integration in kommerzielle Applikationen ohne Lizenzkosten ermöglicht
(Spenden an den Verein sind willkommen) Dies umfasst:
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Spektrale CxF-Daten der CIELAB Farben
*
Eine Farbbibliothek im Adobe Exchange Format
*
Eine PDF-Version des HLC Colour Atlas im Original-Layout mit
Lab-Definitionen der Farbfelder
Die 2040 CIELAB Farben repräsentieren den Gamut der Druckerserie Epson
SC-Px000V mit Violett, mit dem sich der gesamte Farbraum des
Offsetdrucks einschließlich der Sonderfarben in üblichen Schitdicken
reproduzieren lässt.
Zusätzlich zu den frei verfügbaren digitalen Tools ist ein mit GMG
Colorproof auf Epson SC-Px000V-Druckern gedruckter Farbatlas verfügbar.
Hierin sind sämtliche 2040 CIELAB Farbtöne iterativ optimiert und zeigen
ein durchschnittliches Delta E00 von 0,5 zum Lab-Sollwert bei der
Ausarbeitung.
Zusätzlich verfügt jeder Farbatlas über ein individuelles
Qualitätsprotokoll nach ISO 12647-7. Dies stellt sicher, dass einzelne
Atlanten sehr gut zueinander passen und jeder Atlas wiederum sehr gut zu
den spektralen CxF Daten. Der Farbatlas ist damit nicht nur ein Tool zum
Aussuchen von Farben, sondern auch eine im Rahmen des Proofdrucks nach
ISO 12647-7 verbindliche physische Referenz der spektralen CxF Daten,
die an verschieden Orten genutzt werden kann.
Der gedruckte Atlas kann derzeit zum Einführungspreis von 99 EUR zzgl.
MwSt und Versand bestellt werden:
https://shop.proof.de/know-how/cielab-hlc-farb-atlas-freiefarbe.html
Danksagung
Wir danken den Firmen GMG, Epson, ColorLogic und dem Scribus-Team, die
das Projekt großzügig unterstützen.
Mögliche Anwendungsbereiche
Das Erstellen eines offenen Systems zur Farbkommunikation ist für uns –
wie auch für die grafische Industrie – Neuland. Was daraus entsteht,
hängt von uns allen ab. Denkbare Anwendungen sind z.B.
*
Definition von Sonderfarben in Programmen wie der Adobe CS/CC oder
Scribus, Bestellung der Sonderfarbe für den Druck und Rezeptierung
beim Farbhersteller auf Basis der spektralen CxF Daten.
*
Ausgabe des HLC Farbatlas auf Produktionsdrucksystemen (z.B.
7c-Digitaldrucksystemen)
*
Tests der Nutzung von spektralen CxF Daten im PDF-Workflow
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Nutzung der CxF-Daten des HLC Colour Atlas als Master Standard und
Erzeugung von Dependent Standards für bestimmte
Druckverfahren/Substrate bei einem Farbhersteller oder einer
Druckerei mit eigener Farbvorbereitung
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Testen der Farbkommunikation mit anderen industriellen Sektoren
*
Nutzung der Daten und des gedruckten Farbatlas im Rahmen von
Schulungen mit der Möglichkeit, alle Daten den Schulungsteilnehmern
zur Verfügung zu stellen
*
Integration in kommerzielle Anwendungen dank Creativ Commons Lizenz
*
Nutzung in öffentlich verfügbaren Testdaten zum Umgang mit CxF und
Sonderfarben in der grafischen Industrie
…
Support
Bisher ist das gesamte Projekt in ehrenamtlicher Arbeit entstanden.
Anwendern, die mit den Daten experimentieren möchten, geben wir im
Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten gern kostenlosen Support auf dieser
Liste. Bitte gehen Sie davon aus, dass wir Neuland betreten und nicht
alles, was man erreichen möchte, auf Anhieb funktioniert.
Für Projekte, bei denen der Support über eine kurze E-Mail in der
ECI-Mailingliste hinaus geht, bieten wir auf individueller Basis auch
kostenpflichtigen Support an.
Mitmachen und Mitbestimmen
Der gemeinnützige freieFarbe e.V. koordiniert das Projekt. Wer sich gern
engagieren möchte, dem legen wir eine Vereinsmitgliedschaft ans Herz.
Darüber hinaus ist mit dem DIN die Erstellung einer DIN Spec (kleiner
Bruder der DIN Norm) zur offenen Farbkommunikation in Vorbereitung.
Siehe auch:
https://www.din.de/de/wdc-beuth:din21:286717907
Mit farbigen Grüßen
Das Team von freieFarbe e.V.
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