Johannes Hoffstadt wrote:
Hallo,
ich kenne kein Programm (außer dem ColorSync-Dienstprogramm :-),
das den Gamut-Tag ernst nimmt. Dazu ist er, wie Herr Bestmann schon
sagte, zu grob.
Die Gamut-Warnung wird daher normalerweise über Ersatzverfahren
berechnet. Meiner Erfahrung nach funktioniert das in Photoshop so
(und das Verfahren - mit Variationen - ist typisch für viele Produkte):
Es wird intern ein Device-Link von Lab ins Zielprofil mit gewünschtem
Intent und gewünschter Tiefenkompensierung und zurück nach Lab
erzeugt (Lab --B2Ax--> Device --A2Bx-->Lab).
Das heißt, man hat zu jedem Lab-Eingangswert den über die
aktuelle "Separation" (egal ob CMYK oder RGB) erreichbaren
Endwert. Es kommt jetzt auf die Differenz der beiden an:
weicht der Endwert zu sehr vom Eingangswert ab, nimmt
man an, man ist Out-of-Gamut.
Nun ist die interne Konsistenz der Separations- und Prooftabellen
je nach Profil verschieden. Darum muss Photoshop eine geeignete
Schwelle festlegen. Dazu wird es vermutlich einen Satz Testfarben
generieren, die garantiert In-Gamut sind, und für diese Farben die
Differenz anhand des obigen Device-Links herausfinden. Dann
könnte man die Schwelle z. B. bei dem doppelten Mittelwert der
Konsistenz festlegen, oder doppelter Median - was immer Photoshop
da tut. Manchmal liegt die Schwelle bei nur 3, manchmal bei 20 Delta E.
Es kann bei extremen lokalen Inkonsistenzen sein, dass innerhalb des
Gamut doch eine Warnung angezeigt wird - dann ist die Darstellung
mit einem Testbild wie dem von Claudio Höcker an dieser Stelle
donut-förmig :-) (Man setze einen Peak per Hex-Editor in die B2A1
und voilà! Das ist zumindest der Beweis, dass die Schwelle nicht über
ein Maximum der internen Inkonsistenz festgesetzt wird...)
Das schöne an dem Verfahren ist, dass es mit jeder CMM funktioniert,
daher sind die Ergebnisse mit ACE und Apple CMM recht ähnlich.
Außerdem ist es eine ziemlich schnelle Methode, und es berücksichtigt
die Limitierungen im Schwarzaufbau.
Mir ist aufgefallen, dass die Schwelle aber kein fester Delta E-Wert
für ein Profil ist, und dass es auch nicht über eine Abstandsformel wie
Delta E94 erklärbar ist. Entweder liegt das einfach am Gitter des
Device-Links, oder Photoshop passt die Schwelle abhängig vom Ort
im Farbraum an (glaube ich aber ehrlich gesagt nicht).
Trotzdem ist es nur eine grobe Schätzung, und man kann leicht im
Farbwähler herumspielen und zu "bunte" Lab-Werte eingeben, die
noch keine Warnung hervorrufen (weil sie noch nicht zuviel "zu bunt"
sind). Übrigens wird die Gamut-Warnung im Farbwähler nicht abgefragt
bei der Eingabe von den passenden Gerätefarben (d.h. CMYK bei
CMYK-Profil, RGB bei RGB-Profil) - auch wenn diese Farben durch die
Separationstabelle gar nicht erreichbar wären. Sie wird nur abgefragt
bei der Eingabe als Lab oder im "Fremd"-Geräteraum (RGB bei CMYK-
Profil u.u.)
Ich hoffe, das Verhalten der Gamut-Warnung wird damit klarer.
Gruß,
Hanno Hoffstadt
Hallo Herr Hoffstadt,
vielen Dank für Ihre sehr interessanten und aufschlussreichen
Darstellungen. Ich glaube, sie haben viel Licht in das "Mysterium" der
Photoshop-Gamut-Warnung gebracht.
Ich möchte aus der Sicht des "Praktikers" noch hinzufügen, dass die
Gamut-Warnung ja nicht als wissenschaftliches "Messinstrument" gedacht
ist, sondern als Hilfe für die Praxis. Sie soll die Bildbereiche
anzeigbar machen, in denen bei einer künftigen Farbraumtransformation
ein _Zeichnungsverlust_ befürchtet werden muss. "Zeichnung" impliziert
aber schon deutlicher sichtbare Unterschiede - Differenzen im Bereich
von DE 3 oder gar kleiner kann man jedoch schwerlich als "Zeichnung"
be"zeich"nen. Es erscheint mir logisch und sinnvoll, dass hier eine
gewisse Toleranz existieren muss. Würde die zu klein gesetzt, würde man
wahrscheinlich die Grenzen des Gamuts gar nicht mehr deutlich erkennen,
sondern eher eine Art mehr oder weniger dichtes "Rauschen" sehen. Ich
könnte mir sogar vorstellen, dass Photoshop hier ganz pragmatisch
vorgeht und einfach die Gamut-Information "weichzeichnet" und dann
nochmals schwellenwertberechnet, um eine praxistauglichere Anzeige zu
erhalten. ;-)
Viele Grüße
Marius König